Ein möglicher Zusammenhang zwischen den Londoner Terroranschlägen und dem Irakkrieg hat am Dienstag die öffentliche Debatte in Großbritannien beherrscht. Nach einer Umfrage der "Times" glauben zwei von drei Wählern, dass der Irakkrieg das Terror-Risiko für London verstärkt hat. Premierminister Tony Blair musste sich von einem Journalisten vorhalten lassen, "die Intelligenz des britischen Volkes zu beleidigen", wenn er eine Verbindung weiter bestreite. Das Thema dominierte den Großteil einer 90-minütigen Pressekonferenz Blairs. Der Regierungschef blieb jedoch bei seiner Sicht, dass der Irak nur ein Vorwand für die Terroristen sei.
Blair sagte am Dienstag während seiner monatlichen Pressekonferenz, er werde vor den Terroristen keinen Zentimeter zurückweichen: "Der 11. September hat mich wachgerüttelt. Und wissen Sie, was das Problem ist? Ein großer Teil der Welt ist für kurze Zeit wach geworden, aber inzwischen wieder eingeschlafen." Viele hätten immer noch nicht begriffen, dass al Kaida nicht einfach eine neue Terrorgruppe sei, sondern eine "grenzenlose Bereitschaft zum Töten" mitbringe und auch Massenvernichtungswaffen einsetzen wolle.
Blairs Ansehen ist nach der "Times"-Umfrage seit den Terroranschlägen stark gestiegen, auch wenn die Wähler seine Irakpolitik für die Anschläge mitverantwortlich machen. Nach einer anderen Umfrage haben zwei Drittel der britischen Muslime seit den Anschlägen mit dem Gedanken gespielt, Großbritannien zu verlassen.
Attentäter bekamen staatliche Unterstützung
Die beiden mutmaßlichen Terroristen Muktar Said Ibrahim (27) und Yasin Hassan Omar (24), die am Montag von der Londoner Polizei identifiziert worden waren, lebten nach Angaben des Innenministeriums mehr als zehn Jahre legal in Großbritannien. Nach Presseinformationen stammen sie aus dem nordostafrikanischen Land Somalia. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es jedoch nicht. Ein Abgeordneter eines Londoner Stadtteilrates bestätigte, dass sie sechs Jahre lang von staatlicher Unterstützung gelebt haben. Nach Informationen der "Sun" bekam Omar in dieser Zeit 35.000 Euro Wohngeld. In seiner Wohnung in einem Nordlondoner Hochhaus fand die Polizei am Dienstag "möglicherweise eine große Menge" Sprengstoff. Ibrahim und Omar sind ebenso wie ihre beiden noch nicht identifizierten Komplizen untergetaucht. Sie hatten am Donnerstag versucht, Bomben in drei U- Bahnen und einem Bus zu zünden, was aber nicht funktionierte. Eine fünfte Bombe wurde später in einem Londoner Park gefunden.
Mit den Oppositionsparteien besprach Blair die geplante Verschärfung der Antiterrorgesetze. Der Chef der Liberaldemokraten, Charles Kennedy, mahnte anschließend, "grundlegende bürgerliche Freiheitsrechte" dürften der Terrorbekämpfung nicht geopfert werden. Auch der Chef der Konservativen, Michael Howard, sagte, er habe große Bedenken gegen die Forderung der Polizei, Verdächtige künftig nicht nur 14 Tage, sondern drei Monate lang ohne Anklage festhalten zu dürfen. Weitgehend einig sei er sich dagegen mit der Regierung darin, dass abgehörte Telefongespräche als Beweismaterial vor Gericht zugelassen werden sollten.