Wahlen im Iran Reformer in Endzeitstimmung

Im Iran wird ein neues Parlament gewählt und die Opposition gibt sich schon vorher geschlagen. Nur in 90 von 290 Bezirken darf sie überhaupt antreten, weswegen sich viele Iraner erst gar nicht in die Wahllokale begeben. Dabei sind die meisten von ihnen alles andere als zufrieden mit der Politik.

Das große Wahlkampfinale der iranischen Reformer wirkte wie eine Trauergesellschaft: So niedergeschlagen blickten die paar Dutzend Menschen drein, die in der zugigen Tiefgarage eines Wohnblocks im Teheraner Westen auf Reihen grün gepolsterter Stühle saßen. Die Plakate an den Wänden verstärkten die düstere Atmosphäre noch: Gemeinsames Leid können wir nur vereint überstehen", war darauf in geschwungener Schrift zu lesen. Und als im Licht der untergehenden Sonne ein junger Mann ans Rednerpult trat und begann, mit gepresster Stimme aus dem Koran zu rezitieren, da schien die Stimmung auf einem Tiefpunkt angelangt, noch bevor die Veranstaltung richtig begonnen hatte.

Endzeit-Laune bei der Reformistenkoalition

Mohammad Ali Najafi fiel es sichtlich schwer, gegen diese Endzeit-Laune anzureden. Der ehemalige Erziehungsminister war gekommen, um am Vorabend der Wahl noch einmal die vereinte Kraft der Reformistenkoalition zu beschwören, die zur Parlamentswahl in Teheran mit einer Liste aus dreißig Kandidaten antritt. Doch was er dann zu sagen hatte, klang gar nicht siegessicher: "Wir lassen uns nicht unterkriegen. Ich glaube zwar auch, dass dieses Mal die Fundamentalisten gewinnen, aber lasst Euch davon nicht frustrieren. 20 oder 30 Sitze im Parlament sind besser als nichts. Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben" - dann entschuldigte er sich bei seinen Anhängern noch für den Ort des Treffens: Die Polizei habe die Reformer daran gehindert, eine Halle für den Wahlkampfabschluss zu mieten. Deshalb habe man in die Tiefgarage ausweichen müssen. "Bitte verzeiht uns."

Najafi muss es selbst klar gewesen sein: Zum desolaten Zustand der iranischen Reform-Bewegung passte die triste Kulisse nur allzu gut. Denn die Anhänger des populären Ex-Präsidenten Mohammad Khatami, die noch vor vier Jahren die Mehrheit im Teheraner Parlament stellten, sind unter seinem erzkonservativen Nachfolger Ahmadinedschad immer mehr in die Defensive geraten. Besonders die Dauerkonfrontation zwischen Iran und dem Westen im Atom-Streit macht ihnen das Leben schwer, denn ihre Kritik am aggressiven Kurs der eigenen Regierung wird ihnen schnell als Vaterlandsverrat ausgelegt.

"Ich bin kein Freund der US-Politik"

So sah sich Reza Khatami, der Bruder von Ex-Präsident Khatami und einer der Köpfe der Reformbewegung, erst vor ein paar Tagen dem Verdacht ausgesetzt, er unterstütze die UN-Sanktionen gegen sein Land - nur weil er den deutschen Botschafter zu einem Gespräch getroffen hatte. Und Mohsen Mirdamadi, der Chef der größten Reformpartei, hielt es für notwendig, im Wahlkampf immer wieder zu betonen: "Ich bin kein Freund der US-Politik." Obwohl gerade ihn jeder Iraner als Anführer der Studentengruppe kennt, die 1979 die Geiselnahme an der amerikanischen Botschaft in Teheran organisiert hatte.

Schon bei den letzten Parlamentswahlen war die Reformer-Fraktion auf nur 50 Abgeordnete zusammengeschmolzen. Heute rechnen viele mit einem noch schlechteren Ergebnis: Weil der mächtige Wächterrat schon im Vorfeld der Wahl mehr als die Hälfte ihrer Kandidaten von der Teilnahme ausgeschlossen hat, können sie in 200 von 290 Wahlkreisen gar nicht erst zur Wahl antreten. Viele Iraner haben wegen dieser Schikanen beschlossen, nicht mehr wählen zu gehen.

Nur eine Show für die Bevölkerung?

"Das ist doch nur eine Show, die der Welt zeigen soll, wie demokratisch diese islamische Republik ist. Die Regierung will die Wahl nur benutzen, um die Menschen an das System zu binden", sagte die 25-jährige Yaseman Azar Parvand, die mit ihrem Mann und ihrer kleinen Nichte am Wahltreffen der Reformisten vorbeispazierte. "Außerdem haben die Parlamentarier noch nie etwas für die Menschen getan. Sehen Sie doch: Die Preise für manche Lebensmittel haben sich im letzten Jahr verdoppelt oder verdreifacht - aber niemand tut etwas dagegen. Und an all den Gesetzen, die die Frauen benachteiligen, ändert sich doch auch nie etwas." Ihr Mann Mohsen, 28, nickt: "Wir sind beim letzten Mal nicht zur Wahl gegangen, und wir gehen auch dieses Mal nicht."

Die Einstellung des jungen Paares ist typisch für die gedrückte Stimmung überall im Land. Der Geist von Euphorie und Optimismus, der noch vor wenigen Jahren zu spüren war, ist seit der Wahl Mahmud Ahmadinedschad zum Präsidenten vor drei Jahren endgültig erstickt. Viele Menschen haben der Politik den Rücken gekehrt - und umgekehrt isolieren sich die Politiker auch immer mehr von den Bürgern. Davon, dass eine wichtige Wahl bevorstand, war in Teheran in den letzten Tagen kaum etwas zu merken. In den Straßen sind nur ganz vereinzelt Wahlplakate zu sehen. Die Menschen sind mehr damit beschäftigt, für das große iranische Neujahrsfest einzukaufen, das ein paar Tage nach der Wahl beginnt, als sich mit den Programmen der Kandidaten auseinanderzusetzen. Einen Wahlkampf, der den Namen verdient, gab es nicht. Vor allem die Konservativen verzichteten fast völlig auf öffentliche Veranstaltungen. Ihnen wird ohnehin ein großer Sieg vorausgesagt.

Regierungspartei strotzt vor Zuversicht

Ali Reza Sakani strotzte denn auch vor Zuversicht. Der Abgeordnete der Ahmadinedschad-treuen "Vereinten Front der Prinzipientreuen" hatte noch kurzfristig zu einem Treffen ins Hauptquartier seiner Partei geladen. Der Grund: Die vielen aus dem Ausland angereisten Journalisten hatten dringend um ein Treffen mit einem Kandidaten der Konservativen gebeten. Im grauen Anzug, die Augen hinter einer getönten Brille versteckt, nahm Sakani hinter zwei großen Sträußen aus Plastikblumen auf dem Podium Platz und ließ kritische Fragen locker abperlen.

Ob ihn der Massenauschluss seiner Konkurrenten von der Reform-Bewegung nicht störe? "Das ist doch alles im Einklang mit dem Wahlgesetz geschehen. Haben Sie in Ihrem Land nicht auch ein Wahlgesetz, an das sich die Kandidaten halten müssen?" Auch über die Spannungen innerhalb des konservativen Lagers, wo die Stimmen gegen die verheerende Wirtschaftspolitik Ahmadinedschad in letzter Zeit immer lauter geworden sind, ging er hinweg. "Wir sind vereint und wir werden diese Wahl gewinnen." Dann gab es Äpfel und Bananen als Stärkung für die Pressevertreter.

Ein paar Straßen entfernt ging Shahaboldin Tabatabaei währenddessen mit seinem Team noch einmal die Pläne für den Wahltag durch. "In der Politik müssen wir immer optimistisch sein", sagte der Vorsitzende der Jugendorganisation der Reformisten. "Doch tief in meinem Herzen weiß ich, dass diese Wahlen massiv gefälscht werden." Um den Mächtigen wenigstens ein bisschen auf die Finger zu schauen, hatte er ein paar Dutzend Jungwähler mobilisiert, die als Beobachter in die über 300 Wahllokale Teherans ausströmen wollten. "Auch wenn wir nicht viel ausrichten können - das schulden wir unseren Wählern."

Wahlergebnis kommt er nach vier Tagen

Besonders alarmiert hatte die Jung-Reformer die jüngste Ankündigung des Innenministers: Das Wahlergebnis für Teheran, hatte der erklärt, werde nicht wie sonst nach einem Tag, sondern erst vier Tage nach der Wahl feststehen. Aus Teheran ziehen 30 Abgeordnete ins Parlament ein. "Ich habe Angst vor dem, was in diesen vier Tagen mit unseren Stimmen passieren wird", sagte Tabatabaei.