Begleitet von vereinzelten Störversuchen von Protestgruppen hat am Samstag in Libyen die erste Parlamentswahl seit mehr als vier Jahrzehnten begonnen. Vor Wahllokalen in der Hauptstadt Tripolis bildeten sich bereits am frühen Morgen Warteschlangen. Rund 2,7 Millionen Menschen sind in dem nordafrikanischen Land zu dem Urnengang aufgerufen. Analog zum Ruf der libyschen Revolutionäre "Erhebe dein Haupt, du bist ein freier Libyer!" fotografierten einige Wähler nach der Stimmabgabe ihre mit Tinte aus dem Wahllokal gefärbten Finger, und jubelten: "Erhebe deinen Finger, du bist ein freier Libyer!".
Vor Beginn des Urnengangs war es rund um die östliche Metropole Bengasi zu einzelnen Protestaktionen und Angriffen von Föderalisten und Anhängern des alten Regimes von Muammar al Gaddafi gekommen. Das Nachrichtenportal "Qurayna" meldete, in Gaminis, 45 Kilometer westlich von Bengasi, seien drei Wahllokale verwüstet worden. Am Freitag hatten Gegner des Urnengangs einen Hubschrauber der Wahlkommission in Bengasi beschossen. Nach Angaben eines Regierungssprechers starb ein Mitarbeiter der Kommission.
Endergebnis für Montag erwartet
Die Abstimmung war zunächst für den 19. Juni geplant, musste aber wegen Problemen bei der Vorbereitung verschoben werden. Die Libyer wählen einen Allgemeinen Nationalkongress mit 200 Abgeordneten. 120 Mandate werden an Direktkandidaten vergeben, 80 Sitze gehen an die Kandidaten politischer Bündnisse.
Der Allgemeine Nationalkongress löst den Übergangsrat ab, der sich während der Revolution im vergangenen Jahr gebildet hatte. Die Abgeordneten sollen eine Übergangsregierung ernennen und die Wahl einer verfassunggebenden Versammlung vorbereiten. Die Wahllokale schließen um 20.00 Uhr MESZ. Erste Teilergebnisse werden anschließend erwartet. Mit dem vorläufigen Endergebnis wird aber nicht vor Montag gerechnet.