Wiederaufbau Streit um Nachkriegs-Irak schwelt weiter

Die USA haben sich verkalkuliert. Experten rechnen mit einer dreistelligen Milliardensumme für den Wiederaufbau des Irak. Doch Verteidigungsminister Rumsfeld plant weiter einen Alleingang der amerikanischen Besatzungsmacht.

Der Wiederaufbau des Irak erfordert mindestens eine dreistellige Milliardensumme - die Schätzungen reichen von 100 bis 350 Milliarden Dollar. Weit mehr jedenfalls als die 80 Milliarden, die die USA für sich selbst bisher an Kriegskosten einkalkuliert haben. Setzen sich in der US-Administration Politiker wie Verteidigungsminister Donald Rumsfeld durch ("Wir haben das Risiko getragen, uns gehört das Ergebnis"), gibt es einen Alleingang. Die USA könnten den Irak zunächst wie ein Protektorat behandeln und konfisziertes Vermögen nutzen.

Irak ist keine "Schatzkiste"

UN-Untergeneralsekretär Shashi Tharoor hat angesichts solcher Optionen darauf hingewiesen, dass der Irak keine "Schatzkiste" sei, die nach Belieben "aufgeteilt" werden könne. Nach den Genfer Konventionen hätten die Alliierten zwar Rechte und Pflichten einer Besatzungsmacht, "aber das ist es dann auch". Ähnlich hatten auch Wirtschaftsexperten bei der Frage argumentiert, inwieweit Ölexporte zur Finanzierung genutzt werden können. Es sei fraglich, ob die USA als Besatzungsmacht befugt sind, Lizenzen zur Förderung zu vergeben und so langfristige Entscheidungen für das Land zu treffen.

Die Einnahmen aus Ölexporten dürften nach Ansicht von Experten zudem nicht ausreichen, um den Irak nach Kriegen und jahrelangen Sanktionen aufzubauen. Trotz großer Vorkommen ist das Fördersystem verschlissen. In den ersten zwei Jahren dürften kaum mehr als 32 Milliarden Dollar eingenommen werden, heißt es. Optimisten sprechen von bis zu 50 Milliarden. Die Opec-Länder werden mit Argus-Augen auf die Fördermengen achten. Ein von anderen Öl-Exporteuren entfachter Preiskrieg wiederum würde die Einnahmen des Irak weiter schmälern.

Hinzu kommt, dass auch Auslandsschulden des Irak bedient werden müssen. Hier ist die Rede von 100 bis 220 Milliarden Dollar, darunter sind auch Gläubiger wie Frankreich und Russland. Eng würde es auch dann, wenn aus den Öl-Exporten keine Reparationszahlungen aus früheren Kriegen mehr abgezweigt werden. Der Zugriff auf die seit Anfang der 90er Jahre eingefrorenen Auslandskonten ist unterschiedlich geregelt.

Masterplan für den Wiederaufbau

Bei der Entwicklungsorganisation der US-Regierung US-AID liegt seit längerem ein Masterplan für den Wiederaufbau vor. Der umfasst vor allem die Wasser- und Stromversorgung, das Gesundheitswesen, den Nahrungsgüterbereich und die Instandsetzung von Flug- und Seehäfen. Für diese Arbeiten will die US-AID bisher amerikanische Firmen engagieren, die dann wiederum Sub-Unternehmen beteiligen. Hierfür dürften auch die US-Steuerzahler kräftig zur Kasse gebeten werden.

Ein international geführter Wiederaufbau mit UN-Mandat, wie ihn auch einige US-Senatoren anstreben, würde zunächst mit einer Geberkonferenz beginnen. Große Wirtschaftsnationen würden Geld bereitstellen. Die UNO würde dann festlegen, wer die Programme abwickelt, etwa die Weltbank oder deren Tochterinstitute oder auch private Banken. Deutschland muss davon ausgehen, hier mit keiner prominenten Stelle vertreten zu sein. Die Ausschreibungen müssten zwar objektiven Kriterien folgen. Das Procedere kann sich nach den bisherigen Erfahrungen aber über Jahre hinziehen. Für Soforthilfen werden allerdings andere Finanzquellen genutzt. Deutsche Firmen dürften - unabhängig von den Szenarien - allenfalls beim Wiederaufbau der Infrastruktur zum Zuge kommen. Und wenn, dann nur mittel- oder langfristig. Bis der Irak wieder normale Geschäftskontakte unterhält, können Jahre vergehen, heißt es. Nur Optimisten glauben, dass die für November 2003 vorgesehene internationale Industriemesse in Bagdad wie geplant stattfindet.

DPA
André Stahl