London-Attentäter Youssef Zaghba Am Donnerstag telefoniert er mit Mama, am Samstag wird er zum Killer

Journalisten interviewen Valeria Collina, die Mutter des London-Attentäters Youssef Zaghba
Journalisten interviewen Valeria Collina, die Mutter des London-Attentäters Youssef Zaghba
© Giorgio Benvenuti/ANSA
Als Valeria Collina neulich mit ihrem Sohn telefonierte, wusste sie nicht, dass es ihr letztes Gespräch werden würde. Zwei Tage später raste Youssef Zaghba Passanten tot. Collina ist nun Mutter eines Selbstmordattentäters - und spricht erstmals.

Seit Dienstag stehen sämtliche Namen der Attentäter von London fest: Nach Khuram Shazad Butt, ein 27-jähriger Brite mit pakistanischen Wurzeln, und Rachid Redouane, 30 Jahre alt, nach eigenen Angaben "Marokkaner oder Libyer", identifizierte die Polizei auch den dritten Terroristen. Er trägt den Namen Youssef Zaghba, ist 22 Jahre alt, der Vater Marokkaner, die Mutter Italienerin. Zaghba hatte beide Staatsangehörigkeiten. Er lebte hauptsächlich in Marokko, zuletzt arbeitete er in London in einem Restaurant.

Telefonat am Donnerstag wird zum Abschiedsgespräch

Dort, vermutet seine Mutter, habe ihr Junge wohl Personen getroffen, die ihn zum Fundamentalismus führten. In einem Interview mit dem italienischen Magazin "L'Espresso" erzählt sie, ihr Sohn sei weder in Italien noch in Marokko, wo er an der Universität von Fez Informatik studiert hatte, mit fundamentalistischen Kreisen in Verbindung gekommen sei. Youssef habe sich nie von jemandem beeinflussen lassen. "Wir haben immer Youssefs Freundschaften kontrolliert", erinnert sich die Mutter. Dann fügt sie an: "Er surfte aber im Internet. Von dort kommt alles."

Zuletzt Kontakt mit ihrem Sohn hatte sie den eigenen Angaben zufolge am vergangenen Donnerstag. Youssef habe sie am frühen Nachmittag angerufen. "Er sagte nichts Besonderes", erinnert sich die Mutter, sie hätten noch gescherzt, sich ausgemalt, wie er sie in Kürze am Flughafen abholen werde. Valeria Collina wollte in zehn Tagen nach London fliegen, um dort gemeinsam mit ihrem Sohn das Ende des Fastenmonats Ramadan zu feiern. "Er hatte erst vor Kurzem einen Gebrauchtwagen gekauft. Ich fragte ihn noch, ob er schon Fähnchen am Auto für mich angebracht hatte." Ein leichtes, lockeres Gespräch, doch etwas in seiner Stimme war anders, meint Collina jetzt rückblickend. "Jetzt weiß ich: Es war sein Abschiedsanruf."

Schon einen Tag später, am Freitag, war Youssef nicht mehr zu erreichen - weder für die Mutter in Bologna, noch für den Vater in Marokko. Sie habe daraufhin einen Freund in London gebeten, nach ihrem Sohn zu schauen. Er fand ihn nicht, die Mutter meldete Youssef als vermisst. Wenige Stunden später rasten Youssef Zaghba, Khuram Shazad Butt und Rachid Redouane mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge auf der London Bridge. Danach stachen sie in einem Ausgehviertel auf Passanten ein - wahllos. Sie töteten acht Menschen, verletzten mehr als 40. Dann erschoss sie die Polizei.

Italien soll Großbritannien vor Zaghba gewarnt haben

Zaghba, so kam später heraus, war den britischen Behörden offenbar bereits im vergangenen Jahr als "möglicher Gefährder" gemeldet worden. Im März 2016 hatte der Mann laut italienischer Polizei versucht, von Bologna aus in die Türkei zu reisen - ausgestattet nur mit einem kleinen Rucksack und einem One-Way-Ticket. Die italienische Anti-Terrorpolizei Digos verdächtigte Zaghba damals, sich der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien anschließen zu wollen, am Ende konnten ihm die Ermittler allerdings nichts nachgewiesen. Der Staatsanwalt von Bologna, Giuseppe Amato, versicherte jetzt dennoch, Italien habe sein "Möglichstes" getan, habe die britischen Geheimdienste informiert, dass der Mann potenziell gefährlich sei. Scotland Yard in London allerdings behauptete, Medienberichten zufolge, dass Zaghba der britischen Polizei und den Geheimdiensten nicht bekannt gewesen sei.

Ähnlich ahnungslos war offenbar auch Valeria Khadija Collina: Ihr, so erzählt die Mutter im "Espresso"-Interview, sagte ihr Sohn damals, er wolle für drei Tage nach Rom. "Er hatte nie erwähnt, dass er zum Kämpfen nach Syrien wollte. Für ihn war Syrien ein Ort, wo der reine Islam gelebt werden konnte. Diese Idee hatte er aus dem Internet", ist sie sich sicher. Collina hatte ihren Sohn damals noch zum Flughafen begleitet, wenige Stunden später riefen die Sonderermittler an. Am Dienstag standen die Ermittler wieder vor ihrer Tür in Bologna: Ihr vermisster Sohn Youssef Zaghba ist tot, gestorben am Samstag, beim Terror-Attentat in London. Er ist kein Opfer. Er ist einer der drei Täter.

pg

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