Abwasch der Woche Schäumende Alpen, wackelnder Chiemsee

Das war die Woche der großen politischen Worte, vor allem am Aschermittwoch. Doch wer hat sie gleich nochmal gesagt? Geißler, Mixa oder Seehofer? Zeit für den Abwasch.

Kommunikations-wissenschaftliche Studien aus den frühen 70ern haben bereits nachgewiesen, dass sich der gemeine (also: der allgemeine im Sinne von stinknormale, und nicht etwa der hundsgemeine) Zuschauer im ewigen Mahlstrom der Nachrichtensendungen nur höchst unzureichend zurecht findet. Schon nach ein paar Minuten verblasst die Quelle doch ganz enorm und das gesprochene Wort entfleucht sodann in die unendlichen Weiten der Beliebigkeit - und kaum ein Mensch kann sich beispielsweise noch mit Sicherheit daran erinnern, ob es nun Gorbatschow war oder doch der olle Goebbels, der die Worte "Auch Du, mein Sohn Brutus?" über seine Lippen perlen ließ.

In Zeiten drohender "spätrömischer Dekadenz" (Geißler? Matthäus? Mixa?), in denen das kraftvoll gesprochene Wort beim Publikum für den belebenden Gedanken sorgen soll, ist das betrüblich, wenn auch nur schwer zu ändern. Der Abwasch der Woche dankt deshalb allen Metaphernschöpfern dieser Woche, die, vornehmlich natürlich am Aschermittwoch, mit ihren Sprachbildern dafür gesorgt haben, dass die Politik nicht komplett im Merkelschen Haltegriff der Langeweile erstarrt ist. Vergeblich, mutmaßlich - aber immerhin.

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Leider ist die Suche nach den Schöpfern (siehe oben) äußerst mühsam. Sollte der eine oder andere Leser sachdienliche Hilfestellungen geben können - bitte, gerne.

Wer war's, beispielsweise, dem zur Wochenmitte und nach längerem Nachdenken der "schäumende Chiemsee" und die "wackelnden Alpen" einfielen? Ein fundamental besorgter Grüner, der auf die Folgen der Atompolitik des konservativen Unionsflügels plastisch aufmerksam machen wollte? Oder doch Louis van Gaal - auf die Frage, ob er von italienischen Mannschaften (Alpen!) geschossene Abseitstore klaglos hinzunehmen gedenke.

Schäumende Alpen, wackelnder Chiemsee oder war es umgekehrt - wahrscheinlich würde die Kanzlerin sagen, dies sei nicht ihr Duktus. Das glaubt man gerne. Denn was es mit dem Duktus von Merkel auf sich hat, erschließt sich selbst am Ende einer Aschermittwochswoche schwer. Er ist von eher zäher Natur, wie, wenn wir uns denn hier auch mal versuchen dürfen, ein Hefeteig, den man auf dem Grund des Spülbeckens findet, nachdem man das Abwaschwasser drei Tage zuvor abgelassen hat. Bitte, wer kommt sonst noch auf Sätze wie diesen: "Die CDU ist eine Partei, die Maß und Mitte hat."

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Wobei: Das mag womöglich sogar stimmen. Seit dieser Woche wissen wir: Die Gesellschaft ist derart außer Rand und Band, dass praktisch alles möglich war und ist - ergo auch irgendeiner maßvoll in der Mitte rum stehen muss. "Die so genannte sexuelle Revolution, in deren Verlauf von besonders progressiven Moralkritikern auch die Legalisierung von sexuellen Kontakten zwischen Erwachsenen und Minderjährigen gefordert wurde, ist daran sicher nicht unschuldig", sagt einer, der nach Erklärungen für Missbrauchsfälle an katholischen Schulen sucht. (Geißler? Mixa?) Matthäus fällt hier definitiv flach. Sex mit minderjährigen Jungs ist sein Thema nicht.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Schade eigentlich, dass man die plausibelsten Erklärungen in eigener Gedächtnisleistung so schwer zuordnen kann. Dass Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gegen den Ankauf der illegalen Steuerdaten-CD sei, weil er wahrscheinlich "auch ein kleines Vermögen im Alpenraum deponiert" habe - das ist wahrscheinlich von Westerwelle, oder? Dass Westerwelle ein "Esel" sei, damit hat mutmaßlich der verstimmte Guttenberg gekontert. Nur von Sigmar Gabriel ist mal wieder fast nix zu hören, dabei ist er dieser Tage doch immerhin seit 100 Tagen Chef der, der, äh, also der... Ach, halt, doch - Gabriel hat gesagt, er sei "nicht in einem Schloss groß geworden." Das könnte passen. Könnte aber auch von Geißler sein. Oder von Seehofer.