Die Bundesregierung hat einem Zeitungsbericht zufolge die technische Rückständigkeit von Atomkraftwerken älterer Bauart wie Krümmel oder Biblis eingeräumt. "Die neueren Siedewasserreaktoren sowie die Druckwasserreaktoren der dritten oder vierten Generation haben grundsätzlich bessere Sicherheitseigenschaften", heißt es in einer Antwort der Regierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen, aus der die "Berliner Zeitung" zitiert. Bei dem wegen mehrerer Pannen ins Gerede gekommenen Meiler Krümmel handelt es sich um einen Siedewasserreaktor älterer Bauart.
In einer Antwort auf eine weitere Anfrage geht die Regierung dem Bericht zufolge noch weiter. Die älteren Meiler entsprächen "nicht dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik" und gehörten "nicht zu den weltweit hochmodernsten und sichersten Atomkraftwerken", heißt es da. Die Antworten der Regierung stammen nach Angaben der Zeitung bereits aus den Jahren 2007 und 2006. Das AKW Krümmel war am Samstag nach einem Kurzschluss in einem Transformator und weiteren technischen Problemen vom Netz gegangen.
RWE-Chef: Deutsche Kraftwerke sind sicher
RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann dagegen verteidigte in einem Interview der "Bild"-Zeitung die Sicherheit der deutschen Kernkraftwerke. "Die Kernkraftwerke in Deutschland arbeiten alle auf höchstem internationalem Niveau", sagte er dem Blatt. "Es ist kein einziges Kraftwerk in Betrieb, das nicht sicher ist. Auch ältere Kernkraftwerke in unserem Land sind auf Top-Niveau. Ohne Abstriche." Im internationalen Vergleich seien die "alten Anlagen" in Deutschland noch jung. Anderswo liefen sie doppelt so lange. Zudem würden die deutschen Kernkraftwerke so streng überwacht wie sonst nirgends.
Die Behauptung von Umweltminister Sigmar Gabriel, in deutschen Kernkraftwerken sei der Normalfall der Störfall, wies Großmann scharf zurück. "Diese Behauptung stimmt keinesfalls. So etwas steht dem Bundesumweltminister nicht gut zu Gesicht, nicht einmal in Wahlkampfzeiten", sagte der RWE-Chef.
Druck vom Verbraucher
An die Macht der Vattenfall-Kunden appellierten Politiker von SPD und Grünen: Sie riefen zum Wechsel des Stromanbieters auf. "Dieser Pannen-Konzern muss spüren, dass man ihm nicht mehr vertraut", sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Renate Künast, dem Berliner "Tagesspiegel". "Die Kunden von Vattenfall sollten den Atomausstieg vorziehen und zu einem Ökostromanbieter wechseln." Der Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Ulrich Kelber, sagte der Zeitung: "Vattenfall-Kunden, die das Verhalten des Konzerns für inakzeptabel halten, können zwischen Dutzenden anderen Stromanbietern wählen und dadurch Druck machen."

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Ein Trafo-Kurzschluss hatte am Wochenende zur Schnellabschaltung des Reaktors geführt. Nach Angaben des Betreibers sollen beide Transformatoren nicht mehr repariert, sondern durch neue ersetzt werden. Krümmel werde daher nach jetzigem Stand zehn Monate stillstehen. Der Atommeiler war erst vor zwei Wochen wieder ans Netz gegangen, nachdem er wegen einer ähnlichen Panne im Sommer 2007 zwei Jahre keinen Strom liefern konnte.
Der Energiekonzern Vattenfall hat inzwischen Fehler eingeräumt und erste personelle Konsequenzen gezogen. Er entband den bisherigen Kraftwerksleiter Hans-Dieter Lucht von seinen Aufgaben. Vattenfall gestand, dass eine Messeinrichtung des Transformators vor dem Wiederanfahren des Atomkraftwerks vor rund zwei Wochen nicht installiert worden war. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) räumte dem Betreiber noch einen "letzten Versuch" ein, die Probleme mit dem Kraftwerk in den Griff zu bekommen. "Wenn es dort wieder zu einer solchen Situation kommt, dann kümmere ich mich darum, dass dieses Kernkraftwerk abgeschaltet wird", sagte er am Dienstag nach einem Gespräch mit Vattenfall-Chef Tuomo Hatakka in Kiel.