Gegen den Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion Alexander Gauland wird wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung ermittelt. Um dies zu ermöglichen, hob der Bundestag am Donnerstag auf Bestreben der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main die Immunität des Abgeordneten auf. Das Plenum genehmigte einen Antrag der Ermittlungsbehörde "auf Genehmigung zum Vollzug gerichtlicher Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse".
Ein Sprecher der AfD-Fraktion sagte der Nachrichtenagentur AFP, in den Ermittlungen gegen Gauland gehe es "um ein altes Verfahren aus dem vorletzten Jahr". Man erachte das Ermittlungsverfahren und die Ermittlungsmaßnahmen als ungerechtfertigt und unverhältnismäßig. Die Fraktion wolle am Nachmittag ausführlicher dazu Stellung nehmen.
Hausdurchsuchungen bei Alexander Gauland
Der AfD-Sprecher spielte damit wohl auf Ermittlungen an, die die Frankfurter Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahr wegen eines "privaten Steuerfehlers" gegen Gauland aufgenommen hatte. Schon damals soll es einen Versuch der Ermittler gegeben haben, die Immunität des 78-Jährigen aufzuheben. Laut einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hatte seinerzeit ein AfD-Sprecher die Sache als Fehler in der Steuererklärung bezeichnet. Der "taz" sagte der AfD-Fraktionssprecher Christian Lüth: "Es geht um mögliche Fehler bei der gemeinsamen Veranlagung mit seiner Ehefrau"; insgesamt angeblich um eine Summe im fünfstelligen Bereich.
Aktuell wurden auf Grundlage des Bundestagsbeschlusses Durchsuchungen bei Gauland angeordnet. Der AfD-Politiker bestätigte im Bericht der "taz", dass seine Wohnung in Potsdam durchsucht worden sei. Auch in Wohnräumen in Frankfurt/Main fanden sich offenbar Ermittler ein. Gaulands ehemalige Partnerin wohnt in Frankfurt. Das Paar ist dem Bericht zufolge immer noch verheiratet, Gauland lebt aber seit vielen Jahren mit einer neuen Lebensgefährtin Potsdam.
Abgeordnete dürfen wegen einer mutmaßlichen Straftat nur mit Zustimmung des Parlaments juristisch verfolgt werden. Sie genießen laut Grundgesetz Immunität. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann diese vom Parlament aufgehoben werden. Im Fall Gauland war die Beschlussempfehlung des Immunitätsausschusses am Donnerstagvormittag kurzfristig auf die Tagesordnung des Bundestages gehoben worden und wurde sofort ohne Debatte abgestimmt. Mit dem Beschluss ist es den Ermittlern nur erlaubt, Wohnungen eines Verdächtigen zu durchsuchen und Unterlagen zu beschlagnahmen.
Auch Immunität einer CDU-Abgeordneten aufgehoben
Der Bundestag stimmte am Donnerstag noch einem weiteren Antrag auf Genehmigung von Durchsuchungen und Beschlagnahmungen zu. Dieser betraf die CDU-Politikerin Karin Strenz. Auch hier wurde gleichzeitig der Vollzug gerichtlicher Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse genehmigt.
Sie und der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordneten Eduard Lintner stehen im Verdacht der Bestechlichkeit im Zusammenhang mit Lobbyarbeit für Aserbaidschan. Etwa hundert Beamte durchsuchten das Abgeordnetenbüro der 52-jährigen Strenz im Deutschen Bundestag, ihre Privatwohnung sowie weitere Wohnungen, Geschäftsräume und Anwaltskanzleien in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Bayern und Belgien, wie die Ermittler mitteilten.
Die Razzia betraf insgesamt 16 Objekte. Strenz und dem 75 Jahre alten Lintner wird Bestechung und Bestechlichkeit von Mandatsträgern zur Last gelegt. Einem dritten Verdächtigen werde Geldwäsche vorgeworfen.

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Strenz und Lintner sollen für Aserbaidschan-Lobby gearbeitet haben
Die Vorwürfe stehen im Zusammenhang mit der Arbeit der beiden Unionspolitiker in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE). Strenz soll mindestens 22.000 Euro erhalten haben, sie soll sich in der PACE durch proaserbaidschanisches Verhalten hervor getan haben. Deutlich schwerer wiegen die Vorwürfe gegen den ehemaligen CSU-Abgeordneten und Staatssekretär des Bundesinnenministeriums, Lintner. Dieser soll von 2008 bis 2016 aus Aserbaidschan insgesamt rund vier Millionen Euro über britische Briefkastenfirmen mit baltischen Konten erhalten haben, die einer sogenannten aserbaidschanischen Waschmaschine zugerechnet werden.
Lintner soll das Geld mit dem Ziel erhalten haben, dieses zum Teil nach Abzug einer eigenen Vergütung an andere Abgeordnete von PACE weiterzuleiten. Diese Abgeordneten sollen sich im Gegenzug in den Medien positiv über Wahlen in Aserbaidschan geäußert und sich bewusst gegen die Freilassung politischer Gefangener in Aserbaidschan ausgesprochen haben, obwohl die Parlamentarische Versammlung sich insbesondere dem Schutz der Menschenrechte verschrieben hat.
Lintner steht demnach außerdem im Verdacht, im Zusammenwirken mit unbekannten Tätern in Aserbaidschan die Zahlungsempfänger bestochen und hierfür selbst Geld erhalten zu haben. Es sollen über ihn alleine rund 500.000 Euro an Gesellschaften und Vereine von belgischen und aserbaidschanischen Mitgliedern der PACE geflossen sein.
Dem dritten Beschuldigten werde vorgeworfen, eine eigens dafür gegründete Gesellschaft, seine Rechtsanwaltskanzlei und Bankkonten für die Zahlungen aus Aserbaidschan zur Verfügung gestellt zu haben. Gegen den 45-Jährigen werde wegen des Verdachts der Geldwäsche ermittelt.