Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP haben nach dreitägigen Verhandlungen eine Einigung in mehreren Streitfragen erzielt. SPD-Chef Lars Klingbeil sprach am Dienstagabend in Berlin nach Beratungen des Koalitionsausschusses von einem "Bündel an Maßnahmen" bezogen auf einen schnelleren Ausbau der Infrastruktur, Anpassungen beim Klimaschutzgesetz und der Umrüstung von Heizungen. Klingbeil, Grünen-Chefin Ricarda Lang und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner äußerten sich zufrieden mit den Ergebnissen.
Klingbeil sagte, vorgesehen sei, Planungs- und Genehmigungsverfahren "massiv zu beschleunigen". Das Klimaschutzgesetz solle effizienter gestaltet werden, um es besser erreichbar zu machen, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral werden kann. Bei der "Wärmewende" mit dem Umbau von Heizungen solle für soziale Gerechtigkeit gesorgt werden.
Die Ampel-Ergebnisse im Kurz-Überblick
Die Lkw-Maut soll im kommenden Jahr steigen, um damit Investitionen für die Bahn zu finanzieren. Die zusätzlichen Einnahmen sollten zu 80 Prozent "in den Ausbau der Schiene, in eine moderne Bahn fließen", sagte Grünen-Chefin Lang. Den Finanzbedarf der Bahn bezifferte sie auf 45 Milliarden Euro bis 2027.
- Ebenso wurde der beschleunigte Ausbau auch von Autobahnstrecken vereinbart. FDP-Chef Lindner nannte "144 Autobahnprojekte", die als "von überragendem Interesse eingestuft" und entsprechend prioritär behandelt würden.
- Die bislang strikten Emissionsvorgaben für einzelne Wirtschaftssektoren im Klimaschutzgesetz werden aufgeben, so Lindner. Demnach sollen Zielverfehlungen in einem Sektor in einem anderen ausgeglichen werden und auch eher längerfristige Zielvorgaben gesetzt werden.
Die Koalition will den Einbau klimafreundlicherer Heizungen angehen. Das Gebäudeenergiegesetz solle entsprechend reformiert werden, sagte Grünen-Chefin Lang. Es soll dabei einen sozialen Ausgleich geben, Geld aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen. Heizungen mit fossilen Energieträgern sollten weiter betrieben werden können, wenn sie künftig mit klimafreundlichen Gasen genutzt werden könnten. Das Ganze sei noch in Arbeit.
Ampel-Koalition will Infrastrukturprojekte deutlich beschleunigen …
Die Ampel-Koalition will Infrastrukturprojekte auf der Schiene und der Straße deutlich beschleunigen. Zentraler Baustein einer modernen und leistungsfähigen Infrastruktur sei der Ausbau und die Modernisierung des Schienennetzes, heißt es im Ergebnispapier des Koalitionsausschusses. Dafür sollten Planung, Genehmigung und Umsetzung erheblich beschleunigt werden.
Die Koalition habe vereinbart, deutlich mehr Geld in die Schiene als in die Straße zu investieren und bei Straßen einen stärkeren Fokus auf Erhalt und Sanierung zu legen, mit besonderem Schwerpunkt auf Ingenieurbauwerke.
Für Bundesfernstraßen sei vorgesehen, dass existierende marode Brücken deutlich schneller und einfacher saniert beziehungsweise ersetzt werden können als bisher. Auch im Netz der Bundesfernstraßen gebe es Stauschwerpunkte und Engstellen, die den Verkehrsfluss stark beeinträchtigten. "Daher wird die Bundesregierung für eine eng begrenzte Zahl von besonders wichtigen Projekten und Teilprojekten zur Engpassbeseitigung das überragende öffentliche Interesse festschreiben." Das bedeutet zum Beispiel weniger Umweltschutzprüfungen.
… und flexibler werden beim Klimaschutz
Außerdem wollen SPD, Grüne und FDP mehr Flexibilität bei der Erreichung der deutschen Klimaziele ermöglichen, wie aus dem Beschlusspapier hervorgeht.
Bisher wird der jährliche Ausstoß an Treibhausgasen für die Wirtschaftsbereiche wie Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft und Sonstiges erhoben. Überschreitet ein Bereich (Sektor) die mit den deutschen Klimazielen vereinbaren Jahresmengen, müssen die zuständigen Bundesministerien sogenannte Sofortprogramme für mehr Klimaschutz ausarbeiten.
An dieser jährlichen Erhebung der Treibhausgas-Emissionen für jeden Sektor will die Ampel-Koalition zwar festhalten. Nachsteuern soll die Bundesregierung künftig aber erst, wenn die Daten in zwei aufeinanderfolgenden Jahren auf eine Verfehlung der Klimaziele für das Jahr 2030 hindeuten – und zwar für alle Sektoren zusammen.
Bis 2030 will Deutschland seinen Ausstoß an Treibhausgasen um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 senken. "Alle für die Sektoren verantwortlichen Bundesministerien, insbesondere jene, in deren Zuständigkeitsbereich die Sektoren liegen, die die Zielverfehlung verursacht haben, haben zu den Maßnahmen der Minderung beizutragen", heißt es im Einigungspapier. "Die Sektorziele bleiben bestehen als Prinzip des Klimaschutzgesetzes. Es wird aber einfacher, sich untereinander zu helfen", sagte Grünen-Chefin Lang.
Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein, also nicht mehr Treibhausgase ausstoßen als wieder gespeichert werden können. Dabei werde die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CO2) eine Rolle spielen, heißt es in dem Papier. "Die Bundesregierung wird für die Jahre 2035, 2040 und 2045 ein Ziel für Negativemissionen festlegen." Das soll erstmals 2024 passieren.
Pläne zum Heizungsaustausch noch in Arbeit
Die Ampel-Koalition will den Einbau klimafreundlicherer Heizungen angehen. Das Gebäudeenergiegesetz solle entsprechend reformiert werden, sagte Grünen-Chefin Lang. Es solle dabei einen sozialen Ausgleich geben. "Man kann sagen: Niemand wird im Stich gelassen." Auch SPD-Chef Lars Klingbeil betonte die Bedeutung sozialer Gerechtigkeit in diesem Punkt.
Laut Beschluss will das Kabinett den entsprechenden Gesetzentwurf im April beschließen. FDP-Chef Lindner sagte, die Vorschläge sollten nun "finalisiert" werden. Geld solle aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen. Es solle der Grundsatz der "Technologiefreiheit" gelten und Heizungen zum Beispiel auch mit grünem und blauem Wasserstoff oder Biomasse genutzt werden können.
Heizungen mit fossilen Energieträgern sollten weiter betrieben werden können, wenn sie künftig mit klimafreundlichen Gasen genutzt werden könnten. Das Ganze sei noch in Arbeit, sagte Lindner. Für bestehende Heizungen werde es keine Austauschpflicht geben, nur für neu eingebaute Heizungen. "Und wir werden bei bestimmten Alters- und Einkommensgruppen automatisch auch darauf achten, dass die Vorgaben nicht belastend oder bindend sind."
Bereits vor einem Jahr hatte die Koalition sich eigentlich darauf geeinigt, dass ab dem 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Über einen ersten Gesetzentwurf dazu aus dem Wirtschafts- und dem Bauministerium, der Ende Februar bekannt wurde, wurde heftig diskutiert.
"Es hat sich gelohnt", sagt Kanzler Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz ist zufrieden mit den Ergebnissen der dreitägigen Koalitionsgespräche. "Nach vielen Stunden intensiver Diskussionen kann ich sagen: Es hat sich gelohnt", schrieb der SPD-Politiker auf Twitter. "Die Modernisierung unseres Landes bringt Wachstumschancen, wie es sie lange nicht gab. So schaffen wir die Digitalisierung und halten den menschengemachten Klimawandel auf."
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz der Ampel-Parteivorsitzenden zeigte sich SPD-Chef Klingbeil "hoch zufrieden" mit den Ergebnissen. Diese zeigten, "dass wir uns als Koalition in großen Schritten in Richtung Zukunft und Stärke für Deutschland bewegen". FDP-Chef Lindner sagte: "Wir haben echte Durchbrüche erzielt, wirkliche Paradigmenwechsel, und deshalb spricht das Ergebnis einfach für sich." Grünen-Chefin Lang betonte: "Wir gehen jetzt endlich auch Strukturreformen an."