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Nach dem Koalitionsausschuss Hurra, sie leben noch! Die Ampel meldet sich zurück – was der Kanzler nun besser machen muss

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
© Kay Nietfeld / DPA
Sie haben fast 30 Stunden verhandelt, zwei Tage und eine Nacht. Immerhin, jetzt haben sich SPD, Grüne und FDP geeinigt. Doch wenn Olaf Scholz so weitermacht, droht bald die nächste Koalitionskrise.

Um vielleicht gleich mal die Frage zu beantworten, wo das Positive bleibt nach diesem fast 30 Stunden dauernden Marathon, den die rot-grün-gelben Krisen-Verhandler in eigener Sache absolviert haben: Das wahre Positive bleibt gut erkennbar im Verborgenen.

Und nein, das ist keineswegs ein Widerspruch, sondern im Gegenteil sogar ein großes Lob – ein Lob der Geheimniskrämerei. Wer sich an die Durchstechereien erinnert, die es früher aus eigentlich vertraulich tagenden Gremien gab – vom CDU-Präsidium bis zu den Runden der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten während der Corona-Hochphase –, der kann nur beeindruckt staunen ob der Verschwiegenheit, mit der dieser Koalitionsausschuss, mit 17 Teilnehmern der größte, den es je gab, vom späten Sonntagnachmittag bis zu diesem Dienstagabend mit sich und gut zwei Dutzend ungeklärter Fragen rang, nur unterbrochen von einer Art gehobenem Betriebsausflug des Kanzlers und einiger anderer Beteiligter zu den deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen nach Rotterdam.

Bei der Reise, die von 20 Journalisten begleitet wurde, hätte es genügend Möglichkeiten gegeben, auszuplaudern, wie es im Bankettsaal im fünften Stock des Kanzleramts in der langen Nacht der Beckmesser zuging beim Streit vor allem zwischen FDP und Grünen um Verkehr und Klimaschutz, wer wen wie anging und auf wessen Seite sich der Kanzler geschlagen hat. Aber: kein Sterbenswörtchen. Es gab nicht einmal Wasserstandsmeldungen, auf was man sich schon geeinigt hat und was noch streitig war. Auch bei den Daheimgebliebenen: Schweigen im Walde.

Das blieb so bis zum Schluss, bis zur Verkündung der Ergebnisse.

Die Ampel-Stimmung ist besser als die Lage

Damit ist im Prinzip auch die alles entscheidende Frage beantwortet, ob diese Koalition, die nach nicht einmal eineinhalb Jahren bereits heillos zerstritten schien, noch eine Zukunft hat. Ja, hat sie. Hurra, wir leben noch. Vorläufig. Denn Regierungsbündnisse scheitern in der Regel nicht an inhaltlichen Fragen. Sie scheitern, weil die führenden Figuren nicht mehr miteinander können. Das ist in der Ampel offensichtlich nicht der Fall. Noch ist die Stimmung intern besser als die Lage.

"Sehr, sehr, sehr gut", würden die Beschlüsse sein, hatte Olaf Scholz kurz vor Ende der Verhandlungen vollmundig versprochen. Ein Triple-Wumms sozusagen. Davon ist das, was die Koaltionsausschüssler auf 16 Seiten aufgeschrieben haben, ungefähr so weit entfernt wie Deutschland von jener "Regierungskrise", in der CDU-Chef Friedrich Merz die Republik bereits sieht. Eher ist es so, wie Finanzminister Christian Lindner resümiert: Jeder Partner könne jeden einzelnen Punkt vertreten, und jeder habe noch etwas bekommen, "worüber er sich besonders freut". Die SPD kriegt mehr soziale Gerechtigkeit, die Grünen viel Geld für die Bahn, und die FDP hat durchgesetzt, dass Autobahnen auch beschleunigt ausgebaut werden können. Unter anderem.

Und damit zu dem Mann, der die Verantwortung dafür trägt, dass die Koalition in den Zustand geraten ist, in dem sie sich bis zum heutigen Nachmittag befand – und womöglich auch darüber hinaus bald wieder befinden wird: zu Olaf Scholz. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat ja recht, wenn er moniert, dass die Ampel besser regieren könnte und dass es "ein Zeichen von Führungsschwäche des Kanzlers" sei, wenn sie es nicht tut.

Olaf "Es wird sich gelohnt haben" Scholz verteidigt sich gerne mit dem Argument, die Deutschen seien noch nicht daran gewöhnt, dass drei Partner auf Augenhöhe miteinander regierten, die alle ihre eigenen bzw. eigenwilligen politischen Vorstellungen haben, die es immer wieder unter einen Hut zu bringen gelte. Das sei eine neue Herausforderung. An diesem Argument ist so ziemlich alles falsch bis auf den Teil mit den divergierenden Vorstellungen.

Ein Halbstarker und ein Krawallo

Drei Partner gab es auch in der Großen Koalition, die SPD selbst hat damals immer wieder darauf hingewiesen, dass sie im Grunde mit zwei sehr unterschiedlichen Parteien regiert, mit CDU und CSU. Und was die Augenhöhe angeht: Die letzte Regierung Merkel bestand aus einem scheinbar starken Partner, aus einem halbstarken und aus einem Krawallo. Diese Aufteilung gibt es auch in der Ampel – mit dem einzigen feinen Unterschied, dass zu GroKo-Zeiten die Krawallo-Rolle klar besetzt war, während sich nun FDP und Grüne permanent darum zanken.

Am Kanzler wäre es, diesen Zank dauerhaft beizulegen – schon aus Eigeninteresse.

"Der Fisch stinkt immer vom Kopf her." Der Satz ist nicht besonders originell. Aber manchmal trifft er eben zu. Sigmar Gabriel hat ihn mal über Gerhard Schröder gesagt, als irgendwann einmal nicht mehr so recht klar war, ob SPD und Grüne – und die Genossen untereinander – noch miteinander regieren oder schon gegeneinander. Langsam muss Olaf Scholz aufpassen, dass dieser Satz nicht auch auf ihn gemünzt wird.

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