Kanzlerin zieht Bilanz Merkel zu Aufnahme von Migranten: "Ja, wir haben das geschafft"

Die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
Die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
© Michael Sohn/ / Picture Alliance
Die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in einem Interview auf ihre Amtszeit zurückgeblickt. Dabei nahm sie auch auf ihren legendären Satz aus dem Jahr 2015 Bezug – und richtete einen Appell an junge Menschen.

Deutschland hat aus Sicht der geschäftsführenden deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel die Aufnahme von Hunderttausenden Flüchtlingen ab dem Jahr 2015 bewältigt. In einem am Sonntagabend veröffentlichten Interview der Deutschen Welle sagte Merkel auf die Frage, ob "wir" dies geschafft hätten: "Ja, wir haben das geschafft. Aber wir waren wirklich viele, viele Menschen in Deutschland, die mit angepackt haben, viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, viele Ehrenamtliche, viele, die heute noch Patenschaften haben."

Im Spätsommer 2015 war Merkels Satz "Wir schaffen das" prägend für die deutsche Migrationspolitik. Die Kanzlerin sprach auch von "wunderbaren Beispielen von gelungenen menschlichen Entwicklungen" unter den Migranten, etwa von jenen, die hier Abitur gemacht hätten.

"Wir müssen noch sehr viel mehr machen an Entwicklungshilfe, an legaler Migration"

Es sei aber nicht alles ideal gelaufen, räumte die CDU-Politikerin ein. "Und es gibt auch schlimme Vorfälle, wenn ich an die Kölner Silvesternacht denke", betonte sie. Auf der Kölner Domplatte waren in der Silvesternacht 2015/2016 Hunderte Frauen bestohlen, sexuell bedrängt und teils vergewaltigt worden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Köln stammte ein Großteil der Beschuldigten aus Algerien und Marokko. Die Vorkommnisse in Köln machten weltweit Schlagzeilen.

Merkel bezeichnete den Flüchtlingszustrom und die Coronakrise als die größten Herausforderungen ihrer 16 Amtsjahre. Mit Blick auf die Migration zählte sie eine Reihe von Defiziten auf internationaler Ebene auf. "Geschafft haben wir natürlich noch nicht, dass die Ursachen der Flucht bekämpft wurden. Wir haben es noch nicht geschafft, dass Europa ein einheitliches Asyl- und Migrationssystem hat. Wir haben also noch keine selbstwirkende Balance zwischen den Herkunftsländern und den Ankunftsländern. Und wir müssen noch sehr viel mehr machen an Entwicklungshilfe, an legaler Migration." Schlepper und Schleuser hätten "immer noch die Oberhand".

Merkel: Junge Leute müssen Druck bei Klimaschutz machen

Darüber hinaus nannte Merkel die Proteste junger Leute für mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz für gerechtfertigt. "Glasgow hat schon einige Ergebnisse gebracht, aber aus der Perspektive junger Leute geht es berechtigterweise immer noch zu langsam", sagte sie im Gespräch mit der Deutschen Welle vor dem Start der heißen Phase der Weltklimakonferenz.

Die Staatengemeinschaft habe immer wieder einiges getan für den Klimaschutz, dennoch seien die Berichte des Weltklimarates IPCC "immer warnender und immer bedrohlicher geworden". "Und da sage ich den jungen Leuten, sie müssen Druck machen, und wir müssen schneller werden", betonte Merkel.

Man sei zwar schneller geworden. "Aber nie war es so, dass nicht der Abstand zu den wissenschaftlichen Einschätzungen noch mal gewachsen ist. Und das muss sich jetzt in diesem Jahrzehnt verändern. Wir müssen wieder den wissenschaftlichen Einschätzungen folgen, und das heißt eben sehr nah bei 1,5 Grad Erderwärmung bleiben", mahnte die Kanzlerin.

Nach den Massenprotesten in Glasgow startet die Weltklimakonferenz in Glasgow in ihre zweite und entscheidende Woche. Am Montag reisen zahlreiche Minister und Regierungschefs nach Schottland, um den Verhandlungen der rund 200 vertretenen Staaten Schwung zu geben. Bundesumweltministerin Svenja Schulze kommt erst gegen Ende der Woche dazu, die SPD-Politikerin ist an den Verhandlungen über eine Koalition von SPD, Grünen und FDP im Bund beteiligt.

DPA
fs