Musik ist Geschmacksfrage. Das gilt auch im bayerischen Landtagswahlkampf. Hier gehen CSU und SPD mit eigens für den Wahlkampf komponierten Liedern ins Rennen. Und es zeigt sich: Musik kann auch verräterisch sein.
"Stolz auf Bayern" heißt der Song der CSU, zu hören unter anderem auf der Website der Partei. Im eigens dafür produzierten Clip sind Berge, Flüsse und jede Menge Kirchen zu sehen. Die üblichen Bayern-Klischees, seit Jahrzehnten immer wieder neu bemüht. Hans Michael Strepp, Leiter der CSU-Pressestelle, sagt im Gespräch mit stern.de: "Die CSU verkörpert das bayerische Lebensgefühl wie keine andere Partei." Oder zumindest das, was die CSU sich darunter vorstellt.
Wie Bayern sein soll - darüber kann der Zuschauer beim Film der CSU viel lernen. Selbstverständlich taucht beispielsweise kein Schwarzafrikaner in dem gut zweieinhalbminütigen Film auf. Stattdessen marschieren Familien strammen Schrittes durch Gebirgszüge. Scharen kleiner Kinder toben Zeugnisse schwenkend durch Schultore. Und geschmückte Pferde werden von kräftigen jungen Männern in Landestracht durch irgendwelche Dörfer getrieben. Frauen sind entweder glückliche - und natürlich verheiratete - Mütter, oder maximal Grundschullehrerinnen. Die richtigen Jobs hingegen machen Männer - echte Kerle halt. Nach einem langen Arbeitsleben sitzt der bayerische Idealrentner im CSU-Video dann im Park auf einer Wiese. Zu seinen Füßen haben sich zwei junge Frauen niedergelassen und lauschen seinen Ausführungen. So modern geht es zu im Bayern der CSU.
Hauptsache Endreim
Christine Haderthauer, CSU-Generalsekretärin, verwies in einem Interview zu Recht darauf hin, dass es beim Wahlkampfsong nicht um "intellektuelle Höhenflüge", sondern um das "Gefühl" gehe. Doch was für ein Gefühl mag das sein? Antworten hält der Text des Liedes bereit: "Es ist die Magie - aus Tradition und Fantasie" bejubelt eine Sängerin den Charme der frühen 50er Jahre. Ansonsten führt das Haderthauersche Gefühl vor allem zu dubiosen Endreimen. "Wir wissen es genau - der Himmel ist weiß-blau" beziehungsweise "Alles fühlt sich hier so frei an - wir sind stolz auf Bayern". Nicht minder prächtig: "zueinanderstehen" wird gereimt auf "ernten, was wir säen." Aua!
Auch auf der Internet-Videoplattform Youtube ist das Treiben der CSU angekommen - mit eher mäßigem Erfolg. Ein Hörer teilt mit: "Am besten spüle ich mir Augen und Ohren mit Seifenlauge durch, bevor dieser Schwachsinn irgendwelche Spätschäden verursacht." Ob die Reaktion des Publikums den CSU-Pressechef Strepp irritiert, ist unklar. Die Urheber des Konglomerates an Rumpelreimen möchte er nicht nennen. "Das Lied ist Teil eines ganzen Wahlkampfpaketes", sagte er stattdessen. Strepps Schweigen über die Komponisten lässt sich so auch als schamvolles Eingeständnis werten: lieber nicht mehr über das missglückte Lied sprechen. Dass Schweigen manchmal auch hilfreich sein kann, hat sich bis zur bayerischen SPD indes noch nicht herumgesprochen.

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Alles ganz allein gemacht
Dort ist man auf den eigenen Beitrag "Drum wählt sie ab" sogar richtig stolz. Komponiert wurde das Lied vom sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Linus Förster in seinem Augsburger Abgeordnetenbüro. "In fleißiger und leidenschaftlicher Eigenarbeit" sei das Lied produziert worden, ist einer Website der SPD zu entnehmen. Teure Profimusiker wie bei der CSU habe man dafür nicht gebraucht. Eine kritische Situation, vor allem für Försters Angestellte. Während sie arbeiteten, "klangen aus dem Büro des Chefs programmierte Drums und Basslinien", heißt es auf der Website. Die eigenen Mitarbeiter quälen und darauf noch stolz sein - das scheint das sozialdemokratische Verständnis von Musik auszumachen. Dementsprechend gering ist auch die Resonanz. Etwas mehr als 800 Menschen haben sich den SPD-Song, eingesungen von der SPD-eigenen Kabarettgruppe "Hohn und Spott", auf der Videoplattform Youtube bisher angehört - ein grandios niedriger Wert.
"Drum wählt sie ab" entführt den Hörer in drei bizarren Minuten in die altbekannte Welt des engagierten Liedgutes. Ähnlich wie beim gut abgehangenen DGB-Rock von Altmeistern wie Klaus Lage oder BAP werden auch bei den bayerischen Sozialdemokraten Missstände angeprangert (Kinderarmut, G-8 Abitur, schlechte Ausstattung der Unis) und Lösungen aufgezeigt ("Kernkraft raus aus unserm Land - Mensch und Natur geh'n Hand in Hand"). Dazu trällert ein gemischter Chor im Hintergrund und plötzlich ist alles wieder so, wie es damals in den 80er Jahren auf SPD-Sommerfesten gewesen sein muss: Rote Luftballons, verkohlte Würstchen vom Schwenkgrill und saxofonspielende Elternpaare.
"Ein eher peinliches Niveau"
Wird an dieser Stelle nicht eine Geschmacksgrenze überschritten? Das ganz sicher. Der SPD-Song ist stillos - aber wenigsten ehrlich. Zu schätzen weiß das Wähler nicht. Nach der jüngsten Forsa-Umfrage im Auftrag des stern würden selbst in der Altersgruppe der 18 bis 29jährigen satte 53 Prozent den CSU-Kandidaten Günter Beckstein zum Ministerpräsidenten wählen, nur 21 Prozent bevorzugen den SPD-Mann Franz Maget.
Die potentiellen Koalitionspartner von CSU und SPD jedenfalls betrachten die Sangeskünste beider Volksparteien mit Befremden. "Das ist doch die niederste Ebene, die die CSU da betritt" sagt Lars Pappert aus der bayerischen Pressestelle der FDP. "Ein solches Niveau finde ich eher peinlich." Und warum haben die bayerischen Grünen keinen eigenen Wahlkampfsong? "Es gab da zwei Leute, die uns was schicken wollten" gibt ein Grünen-Sprecher im Gespräch mit stern.de zu. "Als das Material dann da war, haben wir uns schnell entschieden, lieber kein Lied zu machen."