Beförderungswelle "Kein Anlass für einen Stopp"

140 Beamte im Sozial- und im Verbraucherministerium sollen vor dem 18. September befördert werden - dem Termin für die Bundestagswahl. Ein Umstand, der für die Opposition nach Patronage riecht.

Die Bundesregierung will trotz der für September erwarteten vorgezogenen Bundestagswahl nicht auf Beförderungen in den Ministerien verzichten. "Es gibt keinen Anlass für einen Stopp", sagte Regierungssprecher Bela Anda. Nach bisherigen Angaben sind allein im Sozialministerium noch vor der Wahl 126 Höherstufungen vorgesehen, im von den Grünen geführten Verbraucherschutzministerium 14.

Zuvor hatte der "Focus" über mehr als 100 Beförderungen im Sozialministerium und im Verbraucherministerium berichtet. Ein Sprecher von Sozialministerin Ulla Schmidt wies den Verdacht eines Zusammenhangs mit der Bundestagswahl aber zurück.

Beförderungen stehen schon länger an

Die Ministerien hatten darauf hingewiesen, dass die Beförderungen schon seit längerem anstünden und geplant seien. Neben der FDP äußerte auch Grünen-Parteichefin Claudia Roth Unverständnis. "Mir erschließt sich das nicht, warum das jetzt sein muss vor dem 18. September", sagte Roth. Über die Sinnhaftigkeit müssten die Ministerien Auskunft geben. Der Steuerzahler-Bund sprach von parteipolitischer Patronage.

Die FDP hatte die Bundesregierung aufgefordert, vor der Wahl einen Beförderungsstopp zu verhängen. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel kritisierte nach einer Sitzung des Parteipräsidiums, es könne nicht sein, dass die Regierung vor der Wahl noch versuche, die Pfründe der eigenen Leute abzusichern. Die Pläne der Regierung zeigten, "dass der lange Marsch von Rot-Grün durch die Instanzen in eine Endphase eintritt, wo man noch mal die Parteifreunde und Parteifreundinnen ordentlich versorgen lässt".

Eine Gesamtübersicht über geplante Beförderungen von Mitarbeitern in den Bundesministerien gibt es nach Darstellung der Regierung nicht. Finanzminister Hans Eichel bezeichnete Berichte über angeblich massenhafte Beförderungen vor dem Wahltermin als Unsinn: "Es gibt ganz normale Beförderungen."

Neue Richtlinien mit dem Personalrat ausgehandelt

Eine Sprecherin des Sozialministeriums erklärte die hohe Zahl von Beförderungen mit der Zusammenlegung des ehemaligen Gesundheitsministeriums mit Teilen des alten Arbeitsministeriums nach der Bundestagswahl 2002. Wegen unterschiedlicher Beurteilungsrichtlinien in den beiden Ressorts hätten zunächst keine "gerichtsfesten" Beförderungen vorgenommen werden können. Daraufhin seien mit dem Personalrat neue Richtlinien ausgearbeitet worden. "Das ist Anfang dieses Jahres fertig gestellt worden", sagte die Sprecherin. Danach habe es Schulungen für die Mitarbeiter-Beurteilungen gegeben. "Der Personalrat hat schon wiederholt angemahnt, wann denn die Beförderungen kommen." Betroffen seien viele Boten, Sekretärinnen und Sachbearbeiterinnen. Die Beschreibung in den Medien dazu sei eine "unzulässige Skandalisierung".

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke, forderte rasche Aufklärung durch den Bundesrechnungshof, wo es sich bei den Beförderungen um Regelbeförderungen oder Schnellschüsse handele. "Die Beförderungswelle riecht nach parteipolitischer Patronage", sagte Däke der "Netzeitung"

AP · DPA · Reuters
DPA/AP/Reuters