Berlin vertraulich! Merkel und Rüttgers werden keine Freunde mehr

Worüber redet das politische Berlin, wenn die Kameras ausgeschaltet sind? stern-Autor Hans Peter Schütz hört hin und notiert für stern.de wöchentlich den neuesten Tratsch aus der Hauptstadt.

Taten sprechen zuweilen mehr als tausend Worte, wie am Presseabend vor dem Dresdner Parteitag wieder einmal zu beobachten war. Keiner wurde am Tisch von Angela Merkel, die sich in glänzender Laune befand, herzlicher begrüßt als Hessens Ministerpräsident Roland Koch. Sie sprang auf, drückte ihm die Hand und fast hätte sie ihn noch umarmt. Die Kanzlerin weiß eben, wer ihre Freunde sind. Jürgen Rüttgers wurde nicht an ihren Tisch gebeten - und als er mit einem Tross von Journalisten im Laufe des Abends vorbeiging, gönnte sie ihm keinen Blick. Freunde werden die beiden nicht mehr.

*

Über wohl keinen Abwesenden wurde auf dem Dresdner Presseabend so viel geredet wie über Bundespräsident Horst Köhler. Die meisten CDU-Größen schimpften dezent darüber, dass Köhler sich mit seiner Kritik an Jürgen Rüttgers und dessen Vorschlag, für ältere Arbeitslose länger Arbeitslosengeld zu bezahlen, konkret in die aktuelle Politik eingemischt hatte. Tenor: "Das geht den doch gar nichts an." Bemerkenswerte Ausnahme war Willi Hausmann, früher CDU-Bundesgeschäftsführer und heute noch immer Vertrauter von Angela Merkel: "Köhler ist wenigstens ein ehrlicher Knochen. Er ist wie er ist. Ein authentischer Mann, der sagt, was er denkt." Nicht das schlechteste Kompliment.

*

Der neue CDU-Schatzmeister heißt Eckart von Klaeden, nebenbei noch außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Ganz freiwillig hat er den Job nicht übernommen, aber die CDU-Vorsitzende Merkel war in Not, weil ihr bisheriger Chefkassier Wolfgang Peiner ziemlich überraschend ihr das Amt hingeworfen hatte. Wirtschaftsmann Peiner hatte die Nase gestrichen voll. Vergeblich hatte er versucht, der Kanzlerin auch fachlichen Rat zuteil werden zu lassen. Und brachte er sie zu Gesprächen mit Bossen zusammen, so lautete deren wenig schmeichelhaftes Urteil hinterher: "Keine Ahnung von Wirtschaft."

*

Einmal mehr schwänzte Klaus Wowereit dieses Jahr den Berliner Presseball, den wichtigsten politischen Ball der Republik. Stattdessen eröffnete der Berliner Regierende Karl Lagerfelds Fotoausstellung "One Man Show". Offiziell deshalb, weil Wowi sich ja selbst zum Kultursenator in seiner neuen Regierung gemacht hat. Inoffiziell, weil er sauer ist, dass ihn die Organisatoren vergangenes Jahr nicht am Tisch von Bundespräsident Horst Köhler platziert hatten.

*

Obwohl nicht anwesend, war Wowereit auf dem Ball beliebte Tratsch-Person. Die Ballgäste amüsierten sich über die leicht verdruckte politische Korrektheit, mit der die Berliner Boulevard-Blätter über den bekennenden Homosexuellen und seine im ersten Anlauf gescheiterte Wahl zum neuen Regierungschef berichtet hatten. In Erinnerung, dass vor einem Jahr Heide Simonis in Schleswig-Holstein bei der Wiederwahl nicht die notwendige Mehrheit der eigenen Leute bekommen hatte, war in den Schlagzeilen mehrfach von "Heide Wowereit" die Rede. Man hätte doch, der Ball-Spott, eigentlich "Klaus Simonis" titeln müssen.

*

Förmlich die Sprache verschlagen, hat ein Zeitungsbeitrag von Dietmar Huber der Grünen-Führung in Berlin. Darin schrieb der langjährige Pressesprecher der grünen Bundestagsfraktion, vertrieben von Regierungsbank irrten die Grünen "abseits umher". Fischers Erben seien vorwiegend beschäftigt, sich "gegenseitig kleine Stricke zu drehen". Der Fischer-Vertraute weiter: "Kapitän, Kurs und Zielhafen sind nach einem Jahr Opposition weiter unbekannt." Die jetzige Führung nennt er "Möchtegern-Kapitäne". Die Attacke erfolgte, gewiss kein Zufall, just zu dem Zeitpunkt, als Joschka Fischer gerade mal wieder in Deutschland weilte. Brav nannte Huber den Ex-Chef in seinem Artikel auch "kraftvoll, leidenschaftlich, unwiderstehlich". Das war Auftragsarbeit. Claudia Roth, wollte die massive Attacke nicht kommentieren. "Da fehlen mir die Worte." Und das kommt, wie mancher schon leidvoll erfahren musste, bei Roth nur selten vor.