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BND "Schnupperbesuch" bei den Schlapphüten

Einigen Politikern galt er als Spielplatz Kalter Krieger, andere wiederum wollten ihn abschaffen: Doch der Bundesnachrichtendienst steht so hoch im Kurs wie selten zuvor. Jetzt gewähren die Pullacher bisher verwehrte Einblicke.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) in Pullach bei München lockert seine Geheimhaltung und gewährt dem örtlichen Gemeinderat bisher verwehrte Einblicke. Bei einem "Schnupperbesuch" durften die Gemeinderäte erstmals auch einen der großen Bunker gut zehn Meter unter der Erde besichtigen. Bei dem Rundgang hinter dicken Mauern und Stacheldraht sicherte BND-Präsident August Hanning den Kommunalpolitikern am Mittwochabend alle Informationen zu, die diese für die Planung nach dem bis 2008 vorgesehenen BND-Umzug nach Berlin bräuchten: "Wir geben alles an die Gemeinde weiter."

Umzug an die Spree

Rund 1200 Mitarbeiter des für die Auslandsaufklärung zuständigen Geheimdienstes sind bereits nach Berlin umgezogen, in den kommenden Jahren soll der BND mit derzeit noch rund 3000 Stellen in Pullach komplett an die Spree umziehen. Dann fällt das mehr als 65 Hektar große Gelände der BND-Zentrale in Pullach, bisher als Sondervermögen des Bundes eingestuft, wieder unter die Planungshoheit der Gemeinde. Eingebettet in eine Parklandschaft stehen mehr als 60 Gebäude auf dem streng abgeschirmten und bewachten Areal. Es ist eine kleine Welt für sich - mit Straßen, Verkehrsschildern, Telefonzellen und sogar Tennisplätzen sowie einem Schwimmbad, das auf Intervention des Bundesrechnungshofes aber geschlossen werden musste.

Der BND-Umzug wird sich auf die Einwohnerzahl von Pullach mit derzeit rund 9500 Bürgern kaum auswirken - maximal 300 Mitarbeiter des Dienstes wohnen in der Gemeinde. Denn bis in die 80er Jahre hinein hätten sich die Mitarbeiter aus Gründen der Geheimhaltung weiter weg vom Dienstsitz niederlassen müssen, berichtet BND-Umzugsbeauftragter Eberhard Krügele. Damals gab es für alle BND-Leute Tarnnamen und Tarnkennzeichen für die Autos, heute gilt dies nur noch für die Agenten im engeren Sinne. Bis in die 60er Jahre gab es auf dem BND-Gelände auch eine eigene Krankenstation: Nur dort durften sich Mitarbeiter operieren lassen - aus Angst, sie könnten in der Narkose Geheimnisse ausplaudern. Auch das erzählen altgediente BND-Beschäftigte beim Besuch der Gemeinderäte.

Hanning berichtet bei der Begrüßung der Gemeinderäte, dass es sich beim BND-Gelände einst um eine Nazi-Siedlung mit dem führenden NSDAP-Politiker Martin Bormann gehandelt habe. Das Gelände sei nach Kriegsende von den US-Besatzern an die Organisation Gehlen übergeben worden, aus der 1956 der BND hervorging. Reinhard Gehlen wohnte als erster BND-Chef jahrelang im früheren Bormann-Haus. Auch der am Mittwoch erstmals gezeigte Bunker mit 3,50 Meter dicken Betonwänden stammt aus der Nazi-Zeit und war als Reserve-Führerhauptquartier geplant, doch Adolf Hitler soll niemals dort gewesen sein. Der BND nutzt den Raum heute nur noch für Schießübungen.

"Näher an die Politik heranrücken"

Nach den Worten des BND-Präsidenten ist der Umzug nach Berlin nötig, weil der Dienst angesichts der veränderten weltpolitischen Lage näher an die Politik heranrücken müsse. "Der Umzug ist eine große Herausforderung, aber auch eine große Chance", betont Hanning. "Das gilt auch für Pullach."

Doch die Gemeinderäte blicken den neuen Planungsmöglichkeiten mit gemischten Gefühlen entgegen, denn in der Gemeindekasse herrscht Ebbe. "Die Infrastruktur mit Schulen und Kindergärten ist schon jetzt ausgelastet", erklärt der zweite Bürgermeister Walter Mayer (CSU). Massiven Wohnungsbau auf dem BND-Gelände mit einem sprunghaften Einwohneranstieg könne die Gemeinde nicht verkraften. Man müsse eine schrittweise Entwicklung anpeilen, die auch kommenden Generationen noch Möglichkeiten offen lasse. "Wir müssen nicht alles schnell zubauen."

Zum Schluss der Führung über das BND-Gelände dürfen die Gäste im BND-Shop in der Kantine einkaufen. Dort gibt es Kugelschreiber, Golfbälle, T-Shirts und andere "Fan"-Artikel mit BND-Logo, aber auch Herren-Unterhosen mit Aufschriften wie "Verschlusssache" oder "Amtlich geheimgehalten". Angesichts der regen Nachfrage sagt eine Gemeinderätin zum BND-Chef: "Jetzt ist Ihr Umzug bald finanziert."

Jürgen Balthasar/DPA DPA

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