Für Boris Palmer sind Kontroversen nichts Neues. Tübingens Oberbürgermeister ist gar derart oft in welche verwickelt, dass die Grünen irgendwann genug von ihm hatten und ihn aus der Partei ausschließen wollten. Man einigte sich auf einen Kompromiss, aktuell ruht seine Parteimitgliedschaft bis Ende des Jahres.
Nun hat Palmer den nächsten handfesten Eklat ausgelöst. Bei einer Migrationskonferenz in Frankfurt benutzte er am Freitagabend mehrfach das N-Wort und verteidigte seine Wortwahl anschließend. Das berichtete zunächst die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) von der Veranstaltung, auf Twitter kursiert zudem ein Video, das ihn bei einer Diskussion mit Demonstranten vor dem Gebäude zeigt. Auch dort nutzte Palmer mehrfach den Begriff.
In dem Twitter-Clip will Palmer eigentlich erklären, warum er das Wort verwende. Seine Erklärung geht jedoch in lauten Protesten der Demonstranten unter, die "Nazis raus" riefen. Palmer stimmte mit in die Rufe ein, auch er wolle keine Nazis im Land. Die Gruppe von laut Berichten rund 50 Menschen war gekommen, um gegen die Veranstaltung unter dem Titel "Migration steuern, Pluralität gestalten" zu protestieren. Palmer war als Diskussionsteilnehmer geladen. Den Demonstranten warf er vor: "Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem Ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für Euch ein Nazi. Denkt mal drüber nach."
Mit dem N-Wort ist in diesem Fall das Wort "Neger" gemeint. Es ist eine alte Bezeichnung für schwarze Menschen und gilt heute als rassistisch und beleidigend. Der Duden schreibt dazu: "Die Bezeichnungen Neger, Negerin sind stark diskriminierend und sollten vermieden werden."
Boris Palmer äußert sich zum Eklat
Palmer bestätigte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, dass die Äußerungen so gefallen sind. "Ich habe die Methode der Protestierer, mir den Stempel als Nazi und Rassist aufzudrücken, niederzuschreien und auszugrenzen, als Vergleich herangezogen", erklärte Palmer den Kontext aus seiner Sicht. Er habe den Protestierern erklärt, dass Nazis die Gräber seiner Vorfahren mit Hakenkreuzen beschmiert hätten und ihnen entgegnet, dass "ihre Methode der Ächtungen und Ausgrenzung sich nicht vom Judenstern unterscheidet". Mehr wollte der 50-Jährige dazu am Samstag nicht sagen.
In einem Facebook-Post erläuterte Palmer, er sage das N-Wort, weil er Sprachvorschriften nicht akzeptiere. "Das hoch umstrittene Wort" gehöre jedoch nicht zu seinem aktiven Wortschatz. "Ich benutze es nur, wenn darüber diskutiert wird, ob man schon ein Rassist ist, wenn man es verwendet. Darüber entscheidet für mich der Kontext."
Heftiger Widerspruch von anderen Konferenzteilnehmern
Laut FAZ berichtete Palmer später auf der Konferenz von seinem Wortwechsel mit den Demonstranten und benutzte auch dort mehrfach das Wort. Er beharrte demnach darauf, dass es nur im Kontext beleidigend sei, etwa wenn man eine schwarze Person damit anspreche, man es aber grundsätzlich verwenden könne. Mehrere Konferenzteilnehmer, darunter Psychologe Ahmad Mansour, der Sozialwissenschaftler Ruud Koopmans und der Politiker Manuel Ostermann, hielten dem Bericht zufolge dagegen. Ein Wort mehrfach zu wiederholen, das für andere eine Beleidigung ist, sei verletzend und respektlos. Der Moderator der Veranstaltung habe sich schließlich geweigert, weiter zu machen mit den Worten: "Herr Palmer, mit Ihnen will ich nichts mehr zu tun haben."
Trotz des Eklats soll Palmer seinen Vortrag mit dem Titel "Memorandum für eine andere Migrationspolitik" wie geplant gehalten und dabei unter anderem Sachleistungen statt Geld für neu ankommende Flüchtlinge gefordert haben. Später habe er sich bei Konferenzteilnehmern für seine Wortwahl entschuldigt.

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Am Samstagvormittag reagierten dann auch die Organisatoren der Konferenz. "Ich distanziere mich nachdrücklich von den Äußerungen von Boris Palmer", zitiert die FAZ Susanne Schröter vom Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam. "Sein Verhalten hat die sehr gute und differenziert geführte Tagung schwer beschädigt und ist nicht akzeptabel." Schröter hatte laut FAZ die Moderation des Auftritts von Palmer übernommen, nachdem der ursprüngliche Moderator sich ob der Äußerungen des Politikers geweigert hatte.
Quellen: Deutsche Presse-Agentur, "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Bezahlinhalt)