Präsidentschaftskandidat Horst Köhler will nach seiner Wahl versuchen, Deutschland Impulse zur Lösung seiner Strukturprobleme zu geben. Zwar solle ein Bundespräsident sich nicht in die Tagespolitik einmischen, sagte Köhler am Dienstagabend in seinem ersten großen Fernsehinterview nach der Nominierung durch CDU/CSU und FDP. Er wolle aber mithelfen, "dass die Deutschen die tief greifenden Probleme anpacken und nicht zu kurz springen".
Ein Bundespräsident könne möglicherweise mit dafür sorgen, dass Ansätze zur Problemlösung auch über Wahlperioden hinausreichten, sagte Köhler bei der Aufzeichnung der "Johannes B. Kerner"-Show, die am Mittwochabend im ZDF ausgestrahlt wird. An dem Interview nahm auch Köhlers Frau Eva teil.
"Kein Grund, den Kopf hängen zu lassen"
Er gehöre nicht zu denen, die Deutschland "runterschreiben oder runterreden wollen", sagte Köhler, der zuletzt Generaldirektor des Internationalen Währungsfonds (IWF) war. "Es ist nicht alles schwarz zu sehen." Aber es gebe Konditionsschwächen, und das Land lebe von der Substanz. Deutschland laufe Gefahr, an Einfluss zu verlieren, wenn es nicht gelinge, die mit der "Agenda 2010" von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) eingeleitete Politik umzusetzen und zu vertiefen. Es gebe für die Deutschen "keinen Grund, den Kopf hängen zu lassen", sagte Köhler. "Aber sie müssen aufwachen."
Köhler sagte, er glaube, dass er wegen seiner persönlichen Biografie für das Amt des Bundespräsidenten einiges mitbringe. "Respekt allemal - Angst nicht", sagte er auf die Frage, ob er sich fürchte. "Ich möchte für das Land hilfreich sein, weil es mir so viel gegeben hat." Köhler wies darauf hin, er sei "aus bescheidensten Verhältnissen aufgestiegen". Er war das siebte von acht Kindern und hat als einziger in der Familie studiert.
Die lange Diskussion von Union und FDP vor seiner Nominierung sei zwar in der Geschichte der Bundesrepublik nichts Ungewöhnliches, es sei aber auch nichts, was man unbedingt wiederholen sollte, sagte Köhler. Er glaube aber nicht, dass die lange Diskussion "unter dem Strich dem Amt geschadet hat". Eine Direktwahl des Bundespräsidenten durch die Bürger wäre zwar eine Alternative, sagte er. Es sei aber "nicht zwingend nötig, eine Änderung des Wahlverfahrens ins Auge zu fassen".
"Reformschritte nicht richtig vermittelt"
In der "Bild"-Zeitung (Mitwochausgabe) hat Köhler der Politik vorgeworfen, zu langsam zu entscheiden und den Menschen die notwendigen Reformschritte nicht richtig vermittelt zu haben. "Die Politik hat den Bürgern bisher nicht erklären können, warum sie sparen müssen, deshalb haben viele das Vertrauen in die Politik verloren", sagte Köhler der. Er selbst wolle den Deutschen als Bundespräsident Mut machen, sagte Köhler.

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Die Politik habe die langfristigen Entwicklungen wie das zunehmende Alter der Menschen und die Folgen für die Sozialsysteme nicht ausreichend berücksichtigt, bemängelte der Kandidat der Union und der FDP, der sich im Mai zur Wahl stellt. In Deutschland werde zudem mitunter sehr lange diskutiert. "Wir müssen schneller entscheiden - und auch besser erklären, warum Reformen notwendig sind", forderte der bisherige Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF). Deutschland müsse sich anstrengen, um im Vergleich zu anderen Staaten nicht zurückzufallen und seinen Wohlstand zu sichern.
"Wunderschönes Land mit großartigen Menschen"
Köhler sagte, die wichtigste Aufgabe für das Staatsoberhaupt sei, "nach innen und nach außen zu vermitteln, dass Deutschland ein wunderschönes Land mit großartigen Menschen" sei. Wenn alle gemeinsam anpackten, seien alle anstehenden Probleme lösbar. Ihm selbst habe Deutschland einen "unglaublichen Aufstieg" ermöglicht. Das gebe ihm "ein Gefühl tiefer Dankbarkeit und den Wunsch, dem Land etwas zurückzugeben". Als Schlüsselfigur für ihn persönlich nannte Köhler den ersten Bundespräsidenten der Republik, Theodor Heuss.