Bundestag zur Griechenland-Hilfe Sehnsucht nach Adenauer

  • von Hans Peter Schütz
Große Debatte im Bundestag, großes Engagement für Griechenland. Und wie wird der Finanzmarkt reguliert? Die Kanzlerin blieb nebulös. Das ist nicht nur ärgerlich. Das ist unverantwortlich.

Das Griechenland-Rettungspaket ist geschürt und gesetzlich abgesichert. Auch die dazu gehörende "Entschließung" fand eine parlamentarische Mehrheit. Dieses Wort signalisiert Entschlusskraft. Doch diese Bundesregierung hat keine Entschlusskraft - ebenso wenig wie die Kabinette, an denen früher die SPD beteiligt war.

Niemand hat das Problem besser auf den politischen Punkt gebracht als die grüne Fraktionsvorsitzende Renate Künast. Ein Konrad Adenauer, rühmte sie den ersten Kanzler der Republik, hätte jetzt seinen Mann gestanden und gesagt, wo er hin will. Angela Merkel stand ihre Frau nicht. Ihr Blick zurück war vage, ihr Blick voraus unklar.

Nichtstun verteuerte die Krise

Sie hätte endlich mal die Frage beantworten müssen, wie es möglich war, dass die Griechen ein Jahrzehnt lang bei der Präsentation ihrer Staatsfinanzen schummeln konnten, ohne dass die EU einschritt. Spätestens vor einem halben Jahr hätte auch die Bundesregierung aktiv werden müssen. Doch sie war monatelang damit beschäftigt, die bedrohliche Lage zu vertuschen, um den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen nicht zu stören.

Dieses Nichtstun hat die Risiken der Griechenlandkrise erhöht, das Rettungspaket sehr viel teurer gemacht. Das Zaudern der Kanzlerin, die lieber präsidiert als handelt, ist dafür verantwortlich.

Das Lachen der Spekulanten

Beim Blick nach vorn sieht es nicht besser aus. Die angekündigten Maßnahmen, um die europäische Währungsunion stabiler zu machen, haben überwiegend appellativen Charakter. Was heißt es schon, wenn da hinausposaunt wird, der Finanzsektor solle die Kosten künftiger Krisen mitfinanzieren? Nichts. Denn über das "Wie" wird geschwiegen. Die Spekulanten, die auf ihren gut gefüllten Tresoren hocken, werden sich ins Fäustchen lachen.

Oder: Wie lässt sich die Haushalts- und Finanzpolitik der Euro-Gruppe schärfer kontrollieren? Mit der Sperrung von EU-Finanzzuweisungen allein ist es nicht getan. Auch die Gläubiger müssten in Haftung genommen werden und auf einen Teil ihrer Renditen verzichten. Wer zahlt denn im Fall Griechenland? Wir Steuerzahler, sonst niemand. Und man darf sehr gespannt sein, ob nun tatsächlich eine staatliche europäische Rating-Agentur entsteht. Ob diese dann vor politischer Einflussnahme geschützt ist, bleibt abzuwarten.

Primat der Politik?

Der jetzt beschlossene Maßnahmenkatalog ist lang. Er soll die Währungsunion transparenter, reaktionsfähiger machen. Nichts dürfe auf den Finanzmärkten ohne Kontrolle bleiben. Die Hedgefonds sollen reguliert werden. Geschwärmt wird von der Erhebung einer Bankenabgabe. Vorschläge des Internationalen Währungsfonds (IWF) will man "prüfen." Genaueres über die Instrumente zur Zähmung des Finanzmarktes ist nicht zu erfahren.

Doch das wollen wir Bürger jetzt endlich präzise wissen: Wie soll das Primat der Politik auf den Finanzmärkten durchgesetzt werden? Wer verhindert wie, dass wir ständig zur Kasse gebeten werden?

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die innenpolitischen Baustellen

Auch innenpolitisch bleibt weiter alles im Nebel. Die Zahlen der jüngsten Steuerschätzung sind eindeutig - der Spardruck ist gewaltig. Doch erneut ist nichts von dieser Koalition zu ihren finanzpolitischen Zielen zu hören. Dabei hatte Schwarz-Gelb monatelang versichert, dann zur konkreten Planung überzugehen, wenn die Zahlen auf dem Tisch liegen. Und? Und? Und? Der Finanzminister sagt nichts, die Kanzlerin schweigt. Kein Sparvorschlag weit und breit. Kein Verzicht auf die unerfüllbaren Steuersenkungspläne. Die FDP will sie immer noch umsetzen. Und über den Kommunen kreist weiterhin der Pleitegeier.

Wie sollen wir noch warten, bis diese Kanzlerin den Bürgern sagt, wie sie weitermachen will? Den Griechen zur Hilfe zu eilen, war notwendig. Ebenso dringlich ist es, endlich die künftige Haushaltsstrategie und den Umgang mit der grundgesetzlich vorgeschrieben Schuldenbremse offen zu legen. Es ist höchste Zeit, Frau Merkel. Fangen Sie kommende Woche an, wenn die Landtagswahlen in NRW vorbei sind. Die haben schließlich die gesamte deutsche Regierungspolitik auf Provinzniveau gedrückt.