Als der Europäische Gerichtshof am 11. Januar 2000 dem deutschen Gesetzgeber aufgab, auch die Kampfeinheiten der Bundeswehr für Frauen zu öffnen, zwang das nicht nur traditionell gestimmte Militärs zum Umdenken. Auch die "Zivilisten" mussten sich von der bis dahin grundgesetzlich verankerten Vorstellung verabschieden, dass der Soldatenjob reine Männersache sei. Der Einzug der ersten 244 Frauen in die Kasernen von Heer, Luftwaffe und Marine im Januar 2001 wurde noch als Sensation empfunden und fand entsprechenden Widerhall in den Medien.
Die junge Frau, die das EuGH-Urteil erstritt, hat es sich später die anders überlegt. Sie ist nie Soldatin geworden. Das Urteil allerdings hat die deutschen Streitkräfte verändert: Aus einem reinen Männerverein - mit ein paar Frauen im Sanitätsdienst - ist eine Truppe geworden, in der es auch im Verhältnis der Geschlechter zugeht wie im wirklichen Leben.
Erstaunlich reibungslose Integration
Die Integration von Frauen in die Kampftruppen verlief erstaunlich reibungslos. Anfängliche Probleme wie getrennte Unterbringung und Sanitärräume waren schnell gelöst. Vorgesetzte mussten einige ihrer militärischen Routinen ändern - die Stubentür weiblicher Soldaten reißt man eben nicht ohne Anklopfen auf. Formalitäten wurden bundeswehrtypisch angepasst: Der weibliche Hauptmann wurde nicht etwa die Hauptfrau, sondern "Hauptmann (w)". In der Grundausbildung galt von Anfang an die Devise "gleiche Anforderungen an alle" - beim Gepäckmarsch etwa müssen Frauen wie Männer neben Waffe, Stahlhelm und ABC-Schutzmaske zehn Kilogramm Gepäck mitschleppen.
Gut fünf Jahre nach dem Urteil und vier Jahre nach seiner Umsetzung gehören Frauen in den Kampfeinheiten heute zum Alltag der Bundeswehr. Sie verrichten ihren Dienst in Deutschland ebenso wie in Bosnien, im Kosovo, in Afghanistan und am Horn von Afrika. Die Bundeswehr stellt ihnen beste Zeugnisse aus. In einer Veröffentlichung dazu heißt es: "Als Soldatinnen beeinflussen sie das Betriebsklima in den Truppenteilen und Dienststellen insgesamt positiv ... Die mit dem militärischen Dienst verbundenen Anforderungen erfüllen sie im Allgemeinen hoch motiviert, zielstrebig und zuverlässig."
Panzerkommandantinnen und Jagdbomber-Pilotinnen
Die ersten Frauen haben es inzwischen zum Leutnant (w) gebracht, kommandieren als Zugführerinnen oder Feldwebel männliche Untergebene. Es gibt bereits Panzerkommandantinnen und demnächst die ersten beiden Jagdbomber-Pilotinnen. Weibliche Fähnriche von 2001 werden in fünf bis sechs Jahren Kompaniechefinnen sein und in etwa 15 Jahren Bataillone, Kriegsschiffe oder Kampfjet-Staffeln befehligen. Alltag in der Bundeswehr heißt auch, dass seit Mitte 2004 Soldaten und Soldatinnen, die Lebenspartner sind, auch bei Auslandseinsätzen in einem Container zusammen wohnen dürfen. Sexuelle Übergriffe sind sehr viel weniger Thema, als anfangs befürchtet worden war. Der Wehrbeauftragte Willfried Penner nannte in seinem letzten Jahresbericht für 2004 22 solcher Fälle, davon 16 mit Gewaltanwendung.
Rund 11.400 Berufs- und Zeitsoldatinnen leisten zurzeit Dienst bei der Bundeswehr, das ist ein Anteil von etwa sechs Prozent. Etwa 7.400 von ihnen dienen beim Heer, davon 650 als Offiziere und 1.290 als Unteroffiziere. Bei der Luftwaffe dienen 2.390 (250 Offiziere, 1.290 Unteroffiziere) und bei der Marine 1.600 Frauen (160 Offiziere, 790 Unteroffiziere). 2.300 Soldatinnen befinden sich in der Ausbildung zum Offizier, Feldwebel oder Unteroffizier. In den einzelnen Truppenteilen unterscheidet sich die Frauenquote allerdings deutlich: Während ein Viertel der Sanitätssoldaten Frauen sind, beträgt der Anteil bei den Kampftruppen nur zwei Prozent. Aber immerhin sind etwa 260 Frauen bei der Panzertruppe und 60 bei den Fallschirmjägern. Die Eliteeinheit KSK gehört zu den wenigen verbliebenen reinen Männerdomänen.
Künftig auch Teilzeit-Soldatinnen
Im internationalen Vergleich liegt Deutschland mit seinem Frauenanteil von sechs Prozent teilweise deutlich hinter europäischen Ländern wie Frankreich (13 Prozent), Großbritannien (8,8), den Niederlanden (8,5) und knapp hinter Dänemark (6,5). Das zu Jahresbeginn in Kraft getretene Gesetz zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten hat das erklärte Ziel, den Frauenanteil auf 15 Prozent zu erhöhen. Der Sanitätsdienst soll künftig sogar zu 50 Prozent mit Frauen besetzt werden. Um diese Ziele zu erreichen, ist neben dem Gleichstellungsgesetz, das gleiche Beförderungschancen bei gleicher Befähigung sicherstellen soll, eine Teilzeitverordnung erlassen worden. Danach können alle, die ein Kind betreuen oder einen Angehörigen pflegen müssen, ihren militärischen Dienst als Teilzeitbeschäftigung erfüllen - auch Männer.