Zwei Tage lang soll die amerikanische Star-Fotografin Annie Leibovitz am Cover-Foto der neuesten "Vanity Fair" gearbeitet haben, auf dem die geschlechtsumgewandelte Caitlyn Jenner, 65, in weißer Korsage zu sehen ist. Das sollte man unbedingt wissen. Und man tritt dem früheren Zehnkampf-Olympiasieger und Weltrekordhalter Bruce Jenner sicher nicht zu nah, wenn man sagt: Die Mühe hat sich gelohnt. Jenner sieht fabelhaft aus!
Mit dem koketten Foto gewinnt sie jeden Direkt-Vergleich mit, sagen wir, Maria Furtwängler,48, selbst wenn die zurechtgeschminkt ist. Und auch die kann ganz wunderbar aussehen. Von anderen, lebensunerfahrenen Sternchen mit ihren Nullachtfünfzehn-Gesichtern ganz zu schweigen. Zumindest das kann Caitlyn Jenner schon mal keiner mehr nehmen.
Ein verlogener Candy-Storm
Mehr als eine Million Follower binnen gut vier Stunden hat Jenner seit diesem Publicity-Coup auf Twitter generiert. Sie ist nun auch in dieser Disziplin Weltrekordhalterin. Ein Candy-Storm brauste über sie hinweg. Es ist, als ob Amerika sein Herz für die Randdisziplin Transsexualität entdeckt hat. Ein Land feiert gerade sein schönstes Exemplar.
Vermutlich kommt viel zusammen, damit sich die aktuelle Begeisterungswelle derart auftürmen konnte: Das Foto ist so etwas wie der gern genommene Beweis dafür, dass mittlerweile (fast) alles möglich ist: der Wechsel des Geschlechtes, der Stopp des Alterungsprozesses nebst Konservierung jener Dosis Erotik, die im Alltagsleben normalerweise doch allzu oft auf der Strecke bleibt. Jenner ist aktuell der heißeste Tipp für eine Gesellschaft, die sich heute nicht mehr mit dem Alter und morgen schon nicht mehr mit dem Tod abfinden will. Wenn alles möglich ist, dann geht da noch was für jeden von uns. Das ist die Botschaft. Nur, so stimmt das nicht. Caitlyn Jenner ist eine Hochglanz-Lebenslüge.
Weniger sinnlich im Alltag
Man tritt Caitlyn Jenner auch nicht zu nah, wenn man sagt, dass sie abseits des "Vanity Fair"-Covers, in ihren Alltagsmomenten, doch weit weniger sinnlich wirkt. Zu sehen ist dann eine 65-Jährige, die - in der Disziplin Erotik - den ungeschminkten Vergleich mit Maria Furtwängler glatt verlieren wird. Und den mit den Sternchen wohl auch.
Wahrscheinlich weiß Jenner, dass der aktuelle Jubelsturm weniger ihrem mutigen Schritt der Geschlechtsumwandlung gilt, als viel mehr ihrer Verwandlung zu einem Kunstprodukt. Mit gestiegener Toleranz, für die sich jetzt eine Gesellschaft auch noch feiert, hat das weniger zu tun. Sehr viel aber mit den Lebenslügen, zu denen die Unterhaltungsbranche fähig ist.

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Axel Vornbäumen hat den Zehnkampf bei den Olympischen Spielen von Montreal noch in Erinnerung. Jenners 10,94 über 100 Meter, die 2,03 Meter im Hochsprung... Man kann dem Autor auf Twitter unter avornbaeumen folgen