Das Verarmungsrisiko der ostdeutschen Bevölkerung ist nach Darstellung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) doppelt so hoch wie bei den Landsleuten im Westen. In den neuen Ländern seien 16,4 Prozent der Menschen im erwerbsfähigen Alter inzwischen auf Hartz IV angewiesen, sagte der DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy der "Leipziger Volkszeitung". Im Westen seien es lediglich 7,4 Prozent. Bei Alleinerziehenden sei sogar die Hälfte hilfebedürftig, gegenüber 13,1 Prozent in den alten Ländern.
Adamy verwies darauf, dass auch der Anteil der ostdeutschen Kinder unter 15 Jahren in Gemeinschaften, die auf Hartz IV angewiesen seien, mit 28 Prozent mehr als doppelt so hoch ausfalle wie im Westen (13,1 Prozent). In den neuen Ländern fielen die Menschen zudem überdurchschnittlich häufig ohne Zwischenstopp in der Arbeitslosenversicherung direkt in das Hartz-IV-System. Das seien mittlerweile 22,2 Prozent der ehemals Erwerbstätigen, die aus sozialversicherter Beschäftigung direkt in Hartz IV stürzten.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sprach sich dennoch gegen die DGB-Forderung einer Erhöhung der Hartz-IV-Sätze aus. Der Vorstoß des Gewerkschaftsbundes, die monatlichen Bezüge auf 420 Euro anzuheben, sei weder finanzierbar noch notwendig, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Zeitung. Zudem gebe es gegenwärtig keine Preissteigerungen.
Zugleich verwies Landsberg auf die dramatische Haushaltssituation. Durch die wegbrechenden Steuereinnahmen wachse die Verschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden bis Ende des Jahres auf über 1,7 Billionen Euro. Landsberg rechnet damit, dass durch die steigende Zahl der Hartz-IV-Empfänger die Kommunen bis 2013 zwölf bis 18 Milliarden Euro allein für das Wohngeld aufbringen müssten. Daher gebe es für die DGB-Forderung keinerlei finanziellen Spielraum.
Das Bundeskabinett verabschiedete am Mittwoch den Sozialbericht 2009. Demnach wird in Deutschland demnächst fast jeder dritte erwirtschaftete Euro für Soziales ausgegeben. Im vergangenen Jahr flossen etwa 720 Milliarden Euro oder 29 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Sozialleistungen. 2009 steigen die Sozialleistungsausgaben wegen der Wirtschaftskrise erstmals nach längerer Pause auf voraussichtlich 754 Milliarden Euro. Die Sozialleistungsquote - also das Verhältnis von BIP zu Sozialleistungen - dürfte dann 31,9 Prozent erreichen und damit fast wieder den Höchstwert von 2003 mit 32,3 Prozent.
Der über 300 Seiten starke Sozialbericht wurde zum 15. Mal erstellt und enthält eine Bilanz aller sozialpolitischen Reformen aus den vergangenen vier Jahren. Dazu zählen die Bereiche Arbeitsmarkt, Alters- und Grundsicherung sowie Gesundheit und Pflege.