Delmenhorst Nazis statt Sarah Connor

Ausnahmezustand in Delmenhorst: Ein Nazi-Anwalt will ein leer stehendes Hotel kaufen. Nun kämpft die Kleinstadt verzweifelt, um die Pläne zu vereiteln. Doch die Zeit läuft ihnen davon.

Ein Schulungszentrum für Rechtsextremisten in der Innenstadt des niedersächsischen Delmenhorst - eine Horrorvision für die Stadtväter. 3,4 Millionen Euro will der einschlägig in der rechtsextremen Szene bekannte Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger für das leer stehende "Hotel am Stadtpark" im Zentrum von Delmenhorst ausgeben. Die Stadtväter fürchten nun, dass die Gemeinde künftig nicht mehr durch die Erfolg verwöhnte Popsängerin Sarah Connor, sondern durch dumpfe Parolen und Treffen rechter Kameradschaften und Parteien in die Schlagzeilen gerät.

Stadt befürchtet düstere Zeiten

Mit Spendengeldern soll der Verkauf verhindert werden. Doch die Zeit wird knapp. Die bislang gesammelten Gelder reichen nicht einmal annähernd aus, um Riegers Plänen zu trotzen. Die Polizei sieht bereits jetzt düstere Zeiten auf Delmenhorst zukommen. Der Polizeivizepräsident der zuständigen Direktion in Oldenburg, Dieter Buskohl, befürchtet im Falle eines Verkaufs an Rieger Sachbeschädigungen, Großeinsätze und gewaltbereite Linksextremisten in dem knapp 80.000-Einwohner-Ort.

Rieger ist kein Unbekannter in der Region. Im Landkreis Verden hatte er bereits den Heisenhof in Dörverden für die Wilhelm Tietjen Stiftung gekauft. Dort wollte er sein Schulungszentrum aufbauen. Der Widerstand des Landkreises und der Stadt machten ihm dort jedoch das Leben schwer. Ein Vorbild für Delmenhorst, wo sich ebenfalls Widerstand formiert. Im Internet wird Geld gesammelt, es gibt Demonstrationen, Kundgebungen, Unterschriftensammlungen oder "Rock gegen Rechts" - alle Alarmglocken läuten. "Die Telefone stehen nicht mehr still, es herrscht Ausnahmezustand", sagt Stadtsprecher Timo Frers.

Denn Anfang August hatte Rieger sein Kaufinteresse für die Immobilie bestätigt und von einer grundsätzlichen Einigung mit dem Eigentümer gesprochen. "Es besteht ein großer Bedarf an Räumen für rechte Gruppen", hatte Rieger, Anwalt namhafter Extremisten wie Michael Kühnen oder Horst Mahler, seine Intention ohne Umschweife erklärt und auch gleich einen Parteitag der rechtsextremen NPD ins Spiel gebracht. Seitdem geht in Delmenhorst die Furcht vor einer "Nazischule" oder einem "Neonazi-Zentrum" um.

Mitarbeiter der Stadt sollen spenden

Rechtlich ist gegen den Verkauf nichts zu machen. "Man kann den bisherigen Eigentümer (...) nicht daran hindern, seine Immobilie zu veräußern", sagt Oberbürgermeister Carsten Schwettmann (CDU) und ruft auch seine Verwaltungsmitarbeiter zu Spenden auf. Insgesamt soll so viel Geld fließen, damit die Stadt die Immobilie kaufen kann. Bislang ist auf dem Spendenbarometer aber noch nicht einmal die Millionen- Marke geknackt. Die Zeit läuft der Stadt davon, der Vertrag soll möglicherweise noch in dieser Woche unterzeichnet werden.

DPA
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