Es ist ein schwerer Schlag für die rechtsextreme NPD. Ihr stellvertretender Vorsitzender Jürgen Rieger ist tot. Der Hamburger Neonazi-Anwalt und Holocaust-Leugner Rieger, der aus seiner Gesinnung nie einen Hehl machte ("Ich bin rechtsradikal bis zum Gehtnichtmehr") starb im Alter von 63 Jahren in einer Berliner Klinik an den Folgen eines Schlaganfalls.
Am 24. Oktober war Rieger von seinem Landsitz in Schweden nach Berlin gereist, um an der Sitzung des NPD-Parteivorstandes teilzunehmen. Während der Sitzung klagte Rieger plötzlich über starke Kopfschmerzen und Taubheitsgefühl. Thomas Wulff, Beisitzer im NPD-Vorstand, fuhr Rieger ins Krankenhaus, wo die Ärzte bei dem Anwalt ein Blutgerinsel im Gehirn feststellten. Rieger wurde offenbar noch am gleichen Nachmittag operiert. Die Ärzte konnten ihn allerdings nicht mehr retten. Riegers Todeskampf dauerte fünf Tage.
Rieger war Strippenzieher und Finanzier der Partei
Die rechtsextreme NPD wird durch Riegers Tod doppelt getroffen. Rieger war Strippenzieher und Finanzier der Partei und der rechten Szene. Der Anwalt, der nach Einschätzung von Heino Vahldieck, dem Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes, "ein Nazi ohne wenn und aber" war, hatte nicht nur Freunde in der NPD, sondern auch bei gewaltbereiten, militanten Kameradschaften. Rieger, der im feinen Hamburger Blankenese wohnte und als Anwalt praktizierte, war erst 2006 in die NPD eingetreten. Er hatte lange gezögert, weil die NPD, deren Funktionäre er als "nationalkonservative Gutmenschen" verhöhnte, ihm eigentlich nicht radikal genug war. Nach Riegers Beitritt in die NPD traten etliche "Kameraden" der militanten Szene in die NPD ein. So kam Rieger zwischen den zerstrittenen Lagern die wichtige Rolle des Mittlers zu.
Wichtiger war Rieger für die NPD allerdings als Geldgeber. Immer wieder griff Multimillionär Rieger, der als Anwalt viele Nazis, darunter auch Holocaust-Leugner Ernst Zündel, vertreten hatte, der klammen NPD finanziell unter die Arme. "Rieger lieh verschiedenen Gliedern der NPD fünf- bis sechsstellige Summen", sagt Verfassungsschützer Vahldieck. Tatsächlich brüstete sich Rieger auf seiner "Heimseite" im Internet damit, dass er der NPD 2004 ein Darlehen von 120.000 Euro geliehen habe. Darüber hinaus hielt Rieger der NPD im Internet seine Großzügigkeit vor und zählte Finanzspritzen von "50.000 Euro" "295.000 Euro" und "75.000 Euro" auf. Außerdem kaufte er in den vergangenen Jahren diverse Immobilien, meist auf dem platten Land, um dort Schulungszentren für den rechten Nachwuchs aufzubauen. "Niemand in der NPD hat das rechtliche Know-how und die finanziellen Mittel diese Immobilienkäufe weiter voranzutreiben", glaubt Vahldieck.
Auch für NPD-Chef Udo Voigt könnte es nun eng werden
Auch für den NPD-Parteivorsitzenden Udo Voigt könnte es nach Riegers Tod eng werden. Nach dem Skandal um den ehemaligen Schatzmeister der NPD Erwin Kemna, der 2008 zu zwei Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt worden war, weil er knapp 750.000 Euro aus der Parteikasse veruntreut hatte, konnte sich Voigt nur halten, weil Rieger zu ihm stand. Die "Taz" veröffentlichte Anfang des Jahres Teile eines Briefwechsels zwischen Rieger und Voigt, der belegte, wie sehr Rieger die NPD über sein Geld regierte. Rieger setzte sich bei Voigt für Kameradschafts-Kader Thomas Wulff ein und forderte damit indirekt eine Radikalisierung der Partei.
Holocaust-Leugner Wulff hatte im Juli 2008 für Schlagzeilen gesorgt, weil er einem Altnazi eine Hakenkreuzfahne ins Grab gelegt hatte. "Rieger hatte Geld, und er hat dieses Geld auch benutzt, um Parteipolitik in der NPD zu machen", bestätigt Vahldieck.
Die NPD dürfte nun gespannt auf die Eröffnung von Riegers Testament warten. Wenn der Rechtsanwalt die Partei nicht bedacht hat, könnte dies die NPD nach Einschätzung von Experten in ernste Finanznöte stürzen. Die Partei soll nach einem Verwaltungsgerichtsurteil wegen falscher Rechenschaftsberichte 1,27 Millionen Euro Strafe an den Bundestag zahlen. Derzeit läuft das Gerichtsverfahren. Allein wegen dieser Forderung droht der NPD der wirtschaftliche Ruin.
"Wir trauern um unseren Kameraden"
NPD-Pressesprecher Klaus Beier will sich zu Finanzfragen und dem Erbe Riegers allerdings nicht äußern. "Das Erbe von Herrn Rieger steht für uns derzeit nicht auf der Agenda", sagt er. "Wir trauern um unseren Kameraden." Rieger hat vier Kinder, die als Erbe infrage kommen. Sie haben die politische Meinung ihres Vaters offenbar nie geteilt und wollen für ihren "geliebten Vater" nun eine Trauerfeier im "engsten Familienkreis" ausrichten. Die Familie fürchtet, dass Riegers Grab zur Pilgerstätte für Rechtsradikale werden könnte. Aus diesem Grund erwägt die Familie eine Feuer- oder Seebestattung.