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Proteste in Berlin Die Politik will (wieder) Demos einschränken - das ist Wasser auf die Mühlen der Corona-Leugner

Berlin: Dicht gedrängt stehen Tausende bei einer Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen.
Sehen Sie im Video: Twitter-Nutzer reagieren empört auf die Demo der Corona-Leugner in Berlin. 
20.000 selbst ernannte Freiheitskämpfer demonstrieren gegen die Corona-Maßnahmen und verstoßen rücksichtslos gegen Hygiene-Auflagen. Und wie zur Bestätigung der Bedenkenträger werden reflexartig Einschränkungen für Proteste gefordert.

Diese Demo wird noch lange in Erinnerung bleiben. Nur selten dürfte ein derart bizarr-bunter Haufen aus Regenbogen-Hippies, "Querdenkern", Stuttgart-21-Gegnern, Metal-Nazis, Rentnern, christliche Fundamentalisten und Schwarz-Rot-Weiß-Rechte in aggressiver Bräsigkeit vereint gewesen sein. Als Gegner der Corona-Maßnahmen verzichteten sie konsequent auf entsprechenden Schutz, machten die Kundgebung zur vielleicht größten Spreaderparty Europas, die, ebenfalls konsequent, irgendwann von der Polizei aufgelöst wurde. Wenn nun alles schlecht läuft, dann könnte es die (vorerst) letzte Demonstration dieser Art gewesen sein.

Plötzlich heißt es wieder: "Demo, ja aber..."

Denn erschreckend war nicht nur die Rücksichtslosigkeit der Teilnehmer, erschreckend ist auch, wie schnell sich auf Seiten der Politik wieder ein "Demos, ja aber"-Konsens bildet. "Ja, Demonstrationen müssen auch in Corona-Zeiten möglich sein. Aber nicht so", twitterte etwa Gesundheitsminister Jens Spahn. Sein Parteikollege Armin Schuster nannte die Demonstrationen "eine Gefahr für die Allgemeinheit", die man künftig nur noch unter sehr viel strengeren Auflagen oder gar nicht mehr genehmigen" solle. Nicht ganz so drastisch, aber auch eher drohend klingen die Äußerungen des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach, der eine Ausweispflicht von Demonstranten fordert.

Wasser auf die Mühlen der Corona-Leugner

Corona-Leugner, diese Loseblattsammlung aus links-rechts-skeptischen Esoterik-Wutbürgern, werden das gerne hören. Denn es bestätigt ihre Ansicht, für die sie am Samstag auf die Straße gegangen waren: Dass dieser Staat nämlich dabei sei, die Grundrechte einzuschränken oder gar abzuschaffen. Bislang konnten sie noch ganz gut eine "Meinungsdiktatur" und die angebliche Abschaffung der Verfassung beklagen, während sie fröhlich von genau den dort verankerten Rechten Gebrauch machten. Doch solche Forderungen wie die von Lauterbach, Schuster oder auch dem Deutschen Städtetag sind Wasser auf die Mühlen der selbst ernannten Freiheitskämpfer.

Tatsächlich waren derartige Proteste im Frühjahr verboten. In Baden-Württemberg und Hessen etwa - was aber vom oft klugen Bundesverfassungsgericht für unzulässig erklärt wurde. Dieses Land kann nicht nur die egozentrischen Jammereien von vielleicht 20.000 "mündigen Bürgern" locker ertragen. Es sollte es auch. Allein schon deswegen, um zu zeigen, wie sehr sie im Unrecht sind. Und Demonstrieren werden sie so oder so. Aus Gesundheitsgründen ist es deshalb vermutlich sogar besser, die Proteste (vielleicht mit Hilfe von ausgefeilteren Hygienekonzepten) auf öffentlichen Plätzen wie auf der Straße des 17. Juni stattfinden zu lassen. Denn Demo-Alternativen wie "Bäckerschlangen" oder "Spaziergänge" wird erst Recht niemand wollen.

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