Diskussion um Bundeswehr-Einsatz Was ist los im Kongo, Herr Fischer?

Soll Berlin Bundeswehr-Soldaten in die Demokratische Republik Kongo schicken? Und wofür? Im stern.de-Interview antwortet ein Abgeordneter, der das Bürgerkriegs-Land gerade besucht hat.

Herr Fischer, was haben Sie in der Demokratischen Republik Kongo gemacht?

Gemeinsam mit meiner Kollegin Anita Schäfer aus dem Verteidigungs-Ausschuss haben wir uns im Kongo folgenden Fragen gewidmet: Ist eine EU-Mission im Rahmen eines robusten Uno-Mandats sinnvoll? Wie ist die Situation der Bevölkerung? Hat sich die Sicherheitslage und die menschenrechtliche Situation verbessert?

Und? wie ist Ihre Einschätzung? Sollen Bundeswehr-Soldaten an einer möglichen EU-Mission teilnehmen?

Dazu gebe ich noch keine Einschätzung ab, weil ich erst den Gremien der großen Koalition und der Opposition berichten will. Dann müssen wir die Einschätzung der Militärs abwarten, die in der gleichen Woche dort gewesen sind. Ich weiß nur, dass viele Menschen im Kongo auf eine EU-Mission zur Absicherung des Wahlprozesses hoffen.

Was könnte eine EU-Einsatztruppe dort bewirken?

Schon die EU-Operation Artemis (Juni bis August 2003, Red.) hat in dem Land für eine Beruhigung der Situation gesorgt und so ein besonderes Vertrauen in die EU aufgebaut.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Weshalb reicht es nicht, einfach Geld in die Region zu schicken?

Die Moral der kongolesischen Armee ist derzeit nicht so, dass die Truppe in einer wahlkritischen Situation zuverlässig wäre. Zwar wird sie derzeit umstrukturiert, es entstehen auch neue Brigaden, aber dennoch ist das noch keine verlässliche, staatstragende Armee. Der Sold ist trotz allen Hilfen oft monatelang ausgeblieben, und die Unterkünfte sind katastrophal. Es gibt immer noch eine Vielzahl von Deserteuren.

Demokratische Republik Kongo

Die Demokratische Republik Kongo (DRK) hieß ehemals Zaire, dann Belgisch Kongo, dann wieder Zaire, seit 1997 trägt sie ihren heutigen Namen. Der drittgrößte Flächenstaat Afrikas, in dem heute rund 60 Millionen Menschen leben, wurde 1960 unabhängig. Hauptstadt ist Kinshasa. Mehrere Jahrzehnte wurde das Land von dem Diktator Joseph Mobutu beherrscht, der 1997 von Laurent-Désiré Kabila gestürzt wurde. Als Kabila 2001 ermordet wurde, "erbte" sein Sohn Joseph Kabila das Präsidentenamt. In dem Bürgerkrieg um die Vorherrschaft in dem Land wurden zwischen 1998 und 2005 nach Schätzungen internationaler Organisationen rund 3,8 Millionen Menschen getötet. Im Dezember 2005 nahmen die Bürger in einem Referendum mit großer Mehrheit eine neue Verfassung an. In diesem Frühjahr oder Sommer soll erstmals seit vier Jahrzehnten ein Parlament gewählt werden. Seit 1999 versucht die Uno-Mission MONUC den Friedensprozess in dem Land zu befördern. Sie ist mit rund 17.000 Militärs vor Ort. Insgesamt sind bereits 75 Helfer bei der Mission ums Leben gekommen.

Sie haben auch den Osten des Landes besucht, wo es von gefährlichen Milizen und Banditen nur so wimmeln soll. Hat sich die Lage dort verbessert?

Die Situation hat sich verbessert. Ich nenne das Beispiel Bunia, wo am 3. und 4. April 2003 noch innerhalb kürzester Zeit über tausend Menschen umgekommen sind. In dem Flüchtlingslage dort waren 2003 noch über 15.000 Menschen untergebracht. Im Jahr 2004 waren es immer noch 12.000 Menschen. Dann hat die Welthungerhilfe gemeinsam mit der MONUC und mit Hilfe der Übergangspräsidentin eine Straße gebaut. Rechts und links von dieser Straße konnten die Menschen wieder siedeln. Das hat dazu geführt, dass jetzt nur noch rund 300 Menschen in diesem Flüchtlingslager leben. Das ist eine echte Verbesserung. Dennoch gibt es in der Region noch gravierende Menschenrechtsverletzungen, die von Milizionären vorgenommen werden. Es gibt noch eine ganze Reihe von versprengten Gruppen - aber nicht annähernd in dem Ausmaß wie früher. Das ist ein erster kleiner Schritt hin zu mehr Rechtsstaatlichkeit.

Was sind die deutschen Interessen im Kongo?

Das erste Interesse muss die menschliche Situation sein, das ist vollkommen klar. Dieses Sterben und das Elend dort müssen beendet werden. Es liegt auch in unserem Interesse, dass der ganze geografische Bereich der Großen Seen nach dem Genozid in Ruanda wieder stabiler wird. Und wir haben ein Handels-Interesse. Nehmen sie den Rohstoff Holz. Derzeit erzielen jene Ausländer die besten Preise, die mit irgendwelchen Milizionären über Rohstoffe verhandeln. Diejenigen, die aus menschenrechtlichen Gründen nur zertifizierte Produkte kaufen, müssen mehr zahlen. Es liegt in unserem Interesse, den Handel der Milizionäre einzudämmen. Für uns ist es auch wichtig, dass die Menschen nicht aus dem Land flüchten, möglicherweise nach Europa, sondern dort vor Ort eine Perspektive haben. Armutsbekämpfung ist auch ein Stück weit Anti-Terrorismus-Bekämpfung. Noch werden im Kongo keine Terroristen rekrutiert, aber schon in Kenia ist das wieder anders.

Zur Person

Der CDU-Abgeordnete Hartwig Fischer ist Afrika-Beauftragter der Unions-Fraktion im Bundestag und Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Seit 2002 vertritt der heute 57-Jährige den niedersächsischen Wahlkreis Göttingen und Umgebung. Zwischen 1982 und 2002 saß der gelernte Einzelhandels-Kaufmann im niedersächsischen Landtag.

Im April sollen im Kongo das erste Mal seit 45 Jahren Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden. Hat der Kongo nach Jahren des Bürgerkriegs eine echte Chance auf Demokratie und Frieden?

Das ist ein langfristiger Prozess. Ich gehe noch nicht über die Brücke, dass tatsächlich am 29. April gewählt wird. Am 13. Februar wird das Parlament über das Wahlgesetz entscheiden. Dann startet der Prozess. Nach meinem Eindruck will die Bevölkerung aber auf jeden Fall vor dem 30. Juli wählen. Für mich ist der entscheidende Punkt, dass wir eine internationale Beobachter-Gruppe in die Region schicken. Alle, mit denen ich in der Region gesprochen habe, haben gesagt, dass sie das Wahlergebnis akzeptieren werden, wenn es durch geheime und faire Wahlen zustande kommt. Deshalb ist meine Forderung: Wir müssen den größtmöglichen Einsatz von Wahlbeobachtern organisieren.

Interview: Florian Güßgen