Mit einem Vergleich von Abtreibungen mit den Verbrechen Hitlers und Stalins hat der Kölner Erzbischof Joachim Meisner eine Welle der Empörung ausgelöst. Der Präsident des Zentralrates der Juden Paul Spiegel nannte die Äußerungen unsäglich und beleidigend und forderte den Kardinal auf, sie sofort zurückzunehmen. Grünen-Chefin Claudia Roth wertete Meisners Vergleich als eine Beleidigung der Opfer des Holocausts und von Frauen in existentiellen Notsituationen.
Wie Bistumssprecher Manfred Becker-Huberti am Freitag bestätigte, sagte der Kardinal in seiner Dreikönigs-Predigt: "Zuerst Herodes, der die Kinder von Bethlehem umbringen lässt, dann unter anderem Hitler und Stalin, die Millionen Menschen vernichten ließen, und heute, in unserer Zeit, werden ungeborene Kinder millionenfach umgebracht." Bereits in seiner Silvesterpredigt hatte Meisner laut vorab verbreitetem Redetext erklärt, Abtreibung stelle "wohl alle bisherigen Verbrechen der Menschheit in den Schatten".
Empörte Reaktionen
Der Präsident des Zentralrates der Juden, Paul Spiegel reagierte empört auf diese Gleichsetzung: "Ich erwarte vom Kardinal, dass er sich unmissverständlich und sehr schnell von diesen unsäglichen und beleidigenden Vergleichen distanziert." Bei allem Verständnis für die Einstellung des Bischofs gegenüber der Abreibungsproblematik begreife er nicht, wie ein Vergleich gezogen werden könne, zwischen dem, was Frauen hinsichtlich ihres eigenen Körpers tun, und dem fabrikmäßigen Mord an Menschen, sagte Spiegel. "Gerade von einem Würdenträger mit einer solchen Vorbildfunktion erwarte ich eine sehr überlegte Haltung bei solchen Äußerungen", rügte Spiegel.
Auch bei Politikern stieß die Meisner-Äußerung auf entschiedenen Widerspruch. Grünen-Chefin Roth forderte Meisner zu einer Entschuldigung bei denjenigen auf, die er beleidigt habe. "Meisner reißt wieder einmal alte Wunden auf", kritisierte sie.
Der nordrhein-westfälische FDP-Generalsekretär Christian Lindner bezeichnete Meisners Vergleich als "schlimme Entgleisung": "Wenn sich Frauen in einer individuellen Notlage dazu entschließen, einen legalen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, dann sollte die Kirche Trost spenden und Halt bieten, statt zu verurteilen."
Bistum weist Kritik zurück
Bistums-Sprecher Becker-Huberti wies die Vorwürfe allerdings entschieden zurück. Die Kritik übersehe, dass der Kardinal mit keinem Wort die Einzigartigkeit des Genozids an den Juden unter Hitler relativiert habe. Der Bischof habe die Euthanasie unter Stalin und Hitler mit der Abtreibung der Gegenwart verglichen. Beides sei die Folge eines Aufbegehrens gegen Gott. Dies werde sichtbar sowohl im Handeln von Hitler und Stalin, als auch im kollektiven Verhalten der Menschen der Gegenwart.