Lange Zeit war es ruhig geworden um die EU-Verfassung, nun scheint wieder Leben in die Debatte zu kommen. So ratifizierte das Parlament Estlands mit überwältigender Mehrheit die in Frankreich und den Niederlanden bereits gescheiterte Staatsordnung.
Zudem hat Kommissionspräsident Jose Manuel Borroso angekündigt, künftig die nationalen Parlamente der 25 Mitgliedstaaten in die Gesetzgebung mit einzubinden, obwohl sie rechtlich noch nicht dazu verpflichtet ist. Mit der Beteiligung der Parlamente setzt Barroso de facto ein Anliegen des Verfassungsentwurfes um.
"Wir brauchen nicht auf eine verfassungsmäßige Einigung zu warten, um die Kontrolle der EU-Gesetzgebung durch die nationalen Parlamente zu verbessern", sagte Barroso bei einem Treffen von EU-Abgeordneten und Volksvertretern am Europatag.
Mitbestimmung in der Verfassung vorgesehen
In dem Verfassungsentwurf war vorgesehen, dass die nationalen Parlamente sämtliche Gesetzesvorschläge der EU-Kommission bekommen und dann sechs Wochen lang Zeit haben, um Einsprüche zu erheben. Damit sollte vor allem verhindert werden, das EU-Recht geschaffen wird, wo nationales Recht ausreichend ist.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auf dem Europaforum des WDR in Berlin zwar angekündigt, während der deutschen Ratpräsidentschaft 2007 die Absegnung der Verfassung voranzutreiben, sieht aber zurzeit keine Chance für eine deutsche Initiative zur ihrer Rettung. Die Kanzlerin sei überzeugt, dass Europa die gegenwärtige Schwäche überwinden könne. Nach dem Scheitern der EU-Verfassung sei die Lage kompliziert, so die Merkel weiter, aber Europa müsse sich eine "Verfasstheit" geben.
In Sachen Türkei-Beitritt scheint Merkel von ihrer harten Haltung abzurücken: Statt von einer "privilegierten Partnerschaft" wie früher, spricht sie nun von "neuen Nachbarschaftspolitik die mehr als eine Freihandelszone ist". Die EU hat mit Ankara mittlerweile Beitrittsverhandlungen aufgenommen. Sie sind ergebnisoffen, haben aber das Ziel des Beitritts.
Gegenüber weiteren Ausdehnungsplänen der Europäischen Union ist Merkel skeptisch: Eine unbegrenzte Erweiterung könne es nicht geben, "man muss deutlich sagen, wo die Grenzen Europas sind", so die Kanzlerin. Die EU müsse Versprechungen einhalten, "bestimmten Ländern" aber sagen, dass eine Mitgliedschaft auf absehbare Zeit nicht möglich sei.

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Was die künftige Mitgliedschaft von Bulgarien und Rumänien betrifft, gibt sich die EU-Kommission hart und erwägt eine Verschiebung ihrer endgültigen Empfehlung über den Beitrittstermin Bulgariens und Rumäniens, um den Druck auf beide Länder zur Erfüllung der EU-Standards aufrecht zu erhalten.
Konkrete Bedinungen an Beitritte
Jose Manuel Barroso sagte, eine Möglichkeit sei, in dem kommende Woche anstehenden Bericht einen Beitritt 2007 an konkrete Bedingungen zu knüpfen. Die Kommission werde am 16. Mai aber auf jeden Fall eine Entscheidung treffen. Diese stehe noch nicht fest. Die Bewertung der Kommission ist vorentscheidend dafür, ob Bulgarien und Rumänien bereits 2007 oder erst 2008 beitreten können.
Die Beitrittsverträge sind bereits unterzeichnet. Die Union hatte sich aber das Recht vorbehalten, die Aufnahme um ein Jahr zu verzögern, falls eines der Länder nicht ausreichend vorbereitet ist.
Kritiker beklagen weiterhin Korruption, den mangelnden Kampf gegen organisiertes Verbrechen und schlechte Verwaltungsstrukturen in beiden Ländern. Erweiterungskommissar Olli Rehn hatte kürzlich Rumäniens Fortschritte gelobt, sich aber zurückhaltender zu Bulgarien geäußert. Lange galt indes Bulgarien als progressiver.