Als der 22-jährige Student Marius am Dienstag die Facebook-Seite "Wir wollen Guttenberg zurück" gründete, war ihm nicht klar, welchen Stein er damit ins Rollen brachte: Innerhalb kürzester Zeit hatten sich Hunderttausende versammelt, inzwischen sind dort 545.000 Menschen, die lautstark seinen Rücktritt vom Rücktritt fordern und den Protest auf die Straße bringen wollen. Der Ton auf dieser Seite ist bisweilen aggressiv, vor allem Oppositionspolitiker und auch die Medien werden in markigen Worten attackiert: Trittin und Gabriel solle man "wegsperren", Guttenberg müsse "bis zur letzten Kugel" gehalten werden. In Massenmails an Redaktionen, darunter auch stern.de, beklagen sie eine angebliche "linke Mediendiktatur in Deutschland". Für diese Aussagen übernimmt Marius keine Verantwortung - genauso wenig wir für angebliche Manipulationen. Auf der Info-Seite heißt es dazu: "Da die Seite von den Facebook-Usern gestaltet wird, kontrollieren wir die einzelnen Posts nicht und distanzieren uns davon." Im Interview mit stern.de kommt nun erstmals der Initiator dieser Volksbewegung zu Wort, der nur seinen Vornamen und sein Alter bekannt geben möchte.
Marius, welches Ziel wollen Sie mit Ihrer Seite erreichen?
Die Facebook-Seite war eine spontane Reaktion auf den Rücktritt. Eigentlich ging es mir nur darum, kund zu tun, dass ich den Rücktritt Guttenbergs schade finde, weil er ein großer Gewinn für die deutsche Politik war.
Wie bewerten Sie persönlich das Vergehen Guttenbergs?
Ich verurteile das Vergehen bezüglich der Doktorarbeit Guttenbergs und bin gerade als Student darüber sehr enttäuscht. Allerdings ist Guttenberg meiner Meinung nach viele politisch wichtige Themen angegangen und sollte auch, aber sicherlich nicht nur, auf Basis dessen beurteilt werden.
Welche Rolle haben Ihrer Meinung nach die Medien, welche Rolle die Oppositionsparteien bei Guttenbergs Rücktritt gespielt?
Die Opposition wird sicherlich Rückenwind vom Rücktritt Guttenbergs erfahren, zumal Guttenberg eine große mediale Aufmerksamkeit erhalten hat. Generell sind Oppositionsparteien natürlich immer auf der Suche nach Skandalen der Regierenden, dies ist ganz normal. Die Medien, speziell das Internet, waren diesmal sicherlich ausschlaggebend dafür, dass sich die Gegner Guttenbergs so gut organisieren konnten.
Was ist das Besondere an dem Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg?
Meiner Meinung nach ist Guttenberg der charismatischste deutsche Politiker und schafft es als Einziger, eine große Mehrheit der Bevölkerung für Politik und seine Person zu begeistern. Wenn in der Öffentlichkeit immer wieder von Politikverdrossenheit die Rede ist, so war Guttenberg doch in der Lage, für Politik zu begeistern.
Bei den Diskussionen auf der Seite wird deutlich, dass immer mehr Menschen von dem politischen Betrieb in Berlin entfremdet sind. Woher kommt das?
Meiner Meinung nach reden viele Politiker an den Menschen vorbei und viele Wahlversprechen sind nach wenigen Wochen schon nichts mehr wert. Guttenberg hat zum Beispiel durch die einfache Äußerung, dass in Afghanistan Krieg herrscht für Aufmerksamkeit gesorgt, während andere Politiker nur um die Thematik herum geredet haben.
Halten Sie es für möglich, dass wir gerade die Entstehung einer neuen Bewegung erleben, ähnlich der Tea-Party-Bewegung in den USA?
Das glaube ich nicht.
Würden Sie es begrüßen, wenn Guttenberg eine eigene Partei gründet?
Nein. Ich könnte mir zwar vorstellen, dass Guttenberg mit einer solchen Aktion durchaus Erfolg haben könnte, allerdings sollte Politik auch nicht nur von dem Kult um eine einzelne Person getrieben sein.
Wie stehen Sie zu den für Samstag angekündigten Demonstrationen?
Ich finde es gut, wenn sich Leute für eine politsche Sache engagieren, allerdings wird dies an der Situation wohl nichts ändern. Viel sinnvoller wäre es, eine Diskussion anzustoßen, wie man Politik so gestaltet, dass sie die Menschen interessiert. Die Demonstrationen sollten also genutzt werden, eine Diskussion anzustoßen, wer der nächste Politiker ist, der das Volk so erreichen kann, wie Herr zu Guttenberg dies geschafft hat.
Nachtrag: Inzwischen hat Marius die Facebook-Seite umgestellt: Jetzt kann nur noch der Administrator, also er selbst, an die Pinnwand schreiben. Die übrigen User dürfen diese Beiträge aber weiterhin kommentieren.