Die Auseinandersetzung um den zurückgetretenen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wird schärfer. Vor allem zwei Facebook-Seiten machen mobil: Die von dem Unternehmer Tobias Huch ins Leben gerufene Seite "Gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg" mit inzwischen knapp 400.000 Mitgliedern, vor allem aber die erst seit Dienstag bestehende Seite "Wir wollen Guttenberg zurück". Sie hat in zwei Tagen eine halbe Million Anhänger eingesammelt. Und die sind mächtig sauer: auf die Medien, denen sie einen Kampagne gegen KT vorwerfen. Auf die Oppositionspolitiker, die ihn abgesägt hätten. Und auch CDU-Politiker geraten ins Visier: Ihnen wird vorgeworfen, den Verteidigungsminister nicht gestützt zu haben, die Union wird sogar als "Verräterpartei" bezeichnet. Garniert wird das mit unverholenen Drohungen: "Die halbe Million ist erst der Anfang. Trittin, Gabriel, Oppermann und Schavan zieht Euch warm an", schreibt etwa der User Rolf Siebel.
Um ihrer Wut und auch ihrer Forderung nach einer Rückkehr des gerade erst zurückgetretenen Politikers Nachdruck zu verleihen, lassen sich die Anhänger allerhand einfallen: Immer wieder werden die Mailadressen von Oppositionspolitikern wie Sigmar Gabriel, Gregor Gysi oder Jürgen Trittin gepostet, mit der klaren Aufforderung, deren Mailfach zu fluten.
"Einfach hingehen!"
Und auch die Medien sind ins Visier dieser Seite geraten. Die Mailadressen ausgewählter Zeitungs- und Fernsehredaktionen kursieren. Die ARD-Sendung "Hart aber Fair" erhielt gestern Abend mindestens 1500 Mails, die sich auf die Facebook-Seite zurückführen lassen. Und auch stern.de wird attackiert. Bis heute Mittag gingen in der Redaktion 2.550 Mails ein mit der Forderung: "Wir wollen Guttenberg zurück".
Doch damit nicht genug: Die Jünger des CSU-Politikers planen den Schritt auf die Straße: Im Stile einer neuen außerparlamentarischen Opposition wollen sie Guttenberg zum Rücktritt vom Rücktritt ermuntern. In 21 Städten sollen am Samstag Menschen auf die Straße gehen. Dass Demonstrationen angemeldet werden müssen, erscheint der Facebook-Gemeinde nicht immer zwingend. Einer schreibt: "Leute, es ist SCHEISS EGAL ob die Demos angemeldet sind, oder nicht. Bitte jetzt nicht auf sowas achten. Einfach hingehen!" Ein anderer ergänzt, dass die Menschen in der DDR 1989 ihre Demos auch nicht angemeldet hätten.
Entfremdung von der politischen Klasse
Aus den meisten Beiträgen spricht eine Entfremdung der Menschen von der politischen Klasse wie den großen Medien, die tatsächlich mehr an die Endphase der DDR erinnert als an eine vitale Demokratie. Beinahe sämtlichen Spitzenpolitikern schlägt eine Verachtung entgegen, deren Ausmaß Besorgnis erregende Formen annimmt. Die politische Klasse in Berlin wird als verlogen und dekadent dargestellt, von den wirklichen Problemen der Bevölkerung meilenweit entfernt. Eine solche Kaste sei nur am eigenen Machterhalt interessiert. Guttenberg wird dagegen anders gesehen. Trotz seiner offensichtlichen Verfehlungen wird er als "anständig" und "ehrlich" charakterisiert, er sei "der erste Politiker seit langem, der endlich was fürs Volk gemacht hatte", schreibt User Carsten Dünisch. Solche "Lichtgestalten" würden früher oder später von den neidischen Politikern fertig gemacht. Ähnlich schlecht kommen die Medien weg, die in den Augen vieler Diskutanten eine Hetzkampagne gegen Guttenberg gefahren haben.
Inzwischen gibt es allerdings erste Anzeichen, dass die Empörungswelle langsam abebbt. Die Gruppe "Wir wollen Guttenberg zurück", die gestern noch ein Wachstum von rund 1000 Mitgliedern pro Minute verzeichnete, stagniert inzwischen beinahe. Auch der Zuspruch für die Demonstrationen hält sich in überschaubaren Grenzen: Die Gruppe "Pro-Guttenberg Demo München" hat bislang 23 Mitglieder, für die "Demo Pro Guttenberg Hamburg" interessieren sich immerhin 397 Menschen. Doch selbst wenn die alle kämen, ergäbe das ein trauriges Bild auf dem Hamburger Rathausmarkt.
Richtigstellung: Gestern hatten wir in diesem Artikel fälschlich behauptet, es handele sich um eine Facebook-Gruppe, und User könnten gegen ihren Willen in diese Gruppe eingeladen werden. Richtig ist: Es handelt sich um eine Seite. Kein Facebook-Mitglied kann unfreiwillig Anhänger einer Seite werden. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen. Die Redaktion