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Facebookgruppe gegen Leserbriefschreiber Landrat stellt Bürger an den Internetpranger

Weil ihn ein notorischer Leserbriefschreiber zum Wahnsinn trieb, gründete Landrat Michael Adam eine Facebookgruppe gegen den aufmüpfigen Bürger. Nun hat er eine Cybermobbing-Debatte am Hals.
Von Daniel Bakir

Eine beliebte Forderung an Politiker lautet, sie sollten bürgernäher sein und auf die persönlichen Belange der Menschen eingehen. Michael Adam, 28-jähriger Landrat im bayerischen Landkreis Regen, wurde nun etwas zu persönlich. Über Wochen lieferte er sich ein öffentliches Scharmützel mit einem Leserbriefschreiber des Bayerwald-Boten, einer Lokalausgabe der Passauer Neuen Presse. Ursprünglich ging es wohl mal um Straßenbau und eine Zwieseler Umgehungsstraße, doch darüber sind die Beteiligten weit hinaus. Es ist nun der persönliche Zweikampf eines 28-jährigen Jungpolitikers und seines 62-jährigen Kritikers. Und beide nutzen das ihrer Generation entsprechende Medium: Helmut G. schreibt Leserbriefe, Michael Adam antwortet auf Facebook.

Der Zwist gipfelte nun darin, dass der Politiker Adam als Reaktion auf einen vergleichsweise harmlosen Leserbrief eine Facebookgruppe einrichtete, die sich explizit gegen den notorischen Leserbriefschreiber aus Zwiesel richtet. "Dauer-Leserbriefschreiber Helmut G. for President!", lautete der ironische Gruppenname, wobei der Name des Rebellen ausgeschrieben war. G. sei ein unverbesserliches "Gescheidhaferl", was so viel wie Besserwisser bedeutet. Der Betroffene, der keinen Facebook-Account besitzt, ließ sogleich via Lokalzeitung ausrichten, er fühle sich gemobbt. Michael Adams Profilseite hat knapp 7700 Fans, seiner Anti-Gruppe sind mehr als 100 Menschen beigetreten. Keine großen Zahlen für das World Wide Web, für einen kleinen Landkreis an der Grenze zu Tschechien schon. Die Frage ist: Darf ein Politiker seine virale Macht ausnutzen, um einen einzelnen Bürger namentlich bloßzustellen?

Gruppe mit Prangerwirkung

Rechtsanwalt Thomas Stadler meint: Nein. Als Amtsträger sei Adam dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtet, schreibt der IT-Anwalt in seinem Blog. "Die Eröffnung einer Facebookgruppe in der geschilderten Art und Weise entfaltet faktisch eine öffentliche Prangerwirkung zu Lasten des betroffenen Bürgers. Man wird dieses Verhalten deshalb als (Grund-)Rechtsverletzung durch den Landrat bewerten können." Auch Rechtsanwalt Arno Lampmann kritisiert in einem Beitrag die Facebook-Aktion des Landrats, zumal es zweifelhaft sei, ob Adams "halbherziges Zurückrudern genügt, um das geschehene Unrecht wiedergutzumachen".

Denn Michael Adam änderte zwar am Wochenende "auf vielfachen Wunsch" den Namen der Facebookgruppe in "Leserbrief-Diskussionsforum Landkreis Regen". Die Gruppe solle "allgemein dazu dienen, über Leserbriefe zu diskutieren und deren Inhalte - und Motive - kritisch zu hinterfragen, da manche Zeitungsredaktionen Reaktionen auf Leserbriefe nicht zulassen". Er wirft Helmut G. allerdings weiterhin vor, "in Leserbriefen wiederholt Unwahrheiten" über seine Person verbreitet zu haben und sich als "Mobbing-Opfer" zu inszenieren. "Was mich persönlich sehr stört, ist dass Herr G. leidenschaftlich gerne austeilt, selbst aber weder einstecken kann, noch seine Argumente jemals einer kritischen Betrachtung unterziehen muss", schreibt Adam. Er habe Herrn G. aber zu keiner Zeit gemobbt.

Helmut G. sagte der Passauer Neuen Presse, er habe die Entwicklungen im Internet verfolgt und freue sich über die Solidarität, die ihm dort entgegen gebracht werde. Mit der Umbenennung der Gruppe sei das Thema für ihn erledigt. Er bezweifle allerdings den Sinn einer Gruppe, die über Leserbriefe und deren Schreiber diskutiert. "Man sollte doch froh sein, dass sich Bürger an der öffentlichen Diskussion beteiligen und ihre Meinung sagen", erklärte G. der Zeitung. Auf eine Anfrage von stern.de reagierte Adam am Montag nicht. Den Namen der Gruppe änderte er am Montagmittag noch einmal in "Kommunalpolitik-Diskussionsforum Landkreis Regen".

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