FDP-Parteitag Röslerwelle

Parteichef Philipp Rösler erinnert bei seiner Rede an Westerwelle. Er brüllt und kämpft, aber er liefert außer leeren Versprechen nur wenig.

Etwa zur Mitte von Philipp Röslers Rede zeigt die riesige Leinwand hinter dem FDP-Chef einen Liberalen aus dem Publikum, der seine Brille abgenommen hat und sich die Augen reibt. Vielleicht hat er nur was im Auge. Aber vielleicht kann er auch nicht glauben, dass der Mann, der da gerade auf der Bühne spricht, wirklich Philipp Rösler ist.

Da steht nicht der Rösler, den man kennt. Das ist nicht der freundliche Parteichef, der eher leise Töne anstimmt und gerne Witze macht. Der Parteichef auf der Bühne schreit ins Publikum. Er deutet aggressiv mit seinen Zeigefingern in die Menge. Er lächelt nicht. Er liest ab, statt - wie sonst - frei zu sprechen.

Seit einem Jahr ist Rösler nun Parteichef. An Autorität hat er nicht gewonnen. Sein Ansehen ist sogar stetig geschrumpft. Deswegen verabschiedet er sich auf dem Parteitag in Karlsruhe von dem neuen Stil, den er eigentlich prägen wollte, der sympathischen FDP, deren Gesicht er sein wollte. Der alte Rösler ist gescheitert und nun gibt Rösler den Westerwelle, um seinen Kopf zu retten.

Die neue Losung: Abgrenzung

Doch eine laute Rede ist keine gute Rede. Als aggressiver Einpeitscher ist er nicht authentisch. Die Leidenschaft springt nicht auf die Delegierten über. Der Applaus bleibt höflich.

Röslers neue Losung lautet: Abgrenzung. Der Feind, das sind die anderen Parteien - auch der Koalitionspartner CDU. Er warnt vor dem politischen "Einheitsbrei" aller anderen Parteien, der das Land zu ersticken drohe.

Er will "hart kämpfen" gegen "intolerante Eiferer" und die "Diktatur der Tugendwächter". Er wettert gegen die Union, deren Mindestlohnpläne, das Betreuungsgeld, gegen Umweltminister Norbert Röttgen und Innenminister Hans-Peter Friedrich. Rösler spricht wie ein Oppositionsführer. Und eben das ist das Problem. Er sollte klingen, nach dem, was er formell ist: nach dem Vizekanzler.

Zu früh auf Wahlkampfmodus

Der bürgerliche Wähler wird ihm diesen neuen Kurs nicht danken. Wonach sich der klassische FDP-Wähler sehnt, ist eine Regierung die ruhig und sachorientiert Gesetze verabschiedet und nicht ihre Energie damit verschwendet, sich am Koalitionspartner abzuarbeiten. In einer Zeit der Finanzkrise goutieren Wähler Seriosität, doch Rösler schaltet schon eineinhalb Jahre vor der Bundestagswahl auf Wahlkampfmodus.

Rösler kündigt in seiner Rede ein ambitioniertes Ziel an: Er will, dass Deutschland im Jahr 2014 einen ausgeglichenen Haushalt hat. Doch er sagt nicht, wie er das durchsetzen will, seine Hoffnung basiert vor allem darauf, dass die Wirtschaft weiter wächst. Doch was die Wähler wollen, ist nicht Politik nach dem Prinzip Hoffnung, sondern Politik nach einem Plan.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Schon zwei Mal ist Rösler mit seinen Ankündigungen auf Parteitagen gescheitert: Er versprach zu liefern und lieferte nicht. Er wollte die Finanzmärkte regulieren und regulierte nichts. Bei seinen Sparplänen droht ihm jetzt ein drittes Scheitern.

Philipp Rösler wollte in seiner Rede kämpferisch wirken. Er wollte. Er wirkte - verzweifelt.