Auch dieser Freitag soll wieder ein "Friday for Future" werden. In mehr als 30 deutschen Städten gehen Schülerinnen und Schüler erneut für einen besseren Klimaschutz auf die Straße - übrigens nicht immer während der Unterrichtszeit. Am vergangenen Freitag zeigte die Bewegung, dass sie den Globus bereits umspannt. Nicht schlecht für einen Protest, der mit einem stillen Sitzstreik einer einzelnen Jugendlichen vor dem schwedischen Reichstag begonnen hat.
Die junge Greta Thunberg muss man an dieser Stelle nicht zu einer Art Mutter Theresa des Klimaschutzes hochloben. Auch soll nicht mehr darauf herumgeritten werden, ob es sinnvoll ist, für diesen Protest - und nur für diesen Protest, selbstverständlich! - die Schule zu schwänzen oder nicht. Natürlich entfaltet ein Streik nur dann nennenswerte Wirkung, wenn er die Normalität aushebelt. Das wurde uns an anderer Stelle, beispielsweise durch Lokführer oder Fluglotsen, schon so manches Mal vor Augen geführt. Und der Umstand, dass Politiker, Wissenschaftler und Medien mehr als nur Notiz von der Bewegung nehmen, ist doch das beste Argument dafür, nicht erst nach Schulschluss für einen Planeten einzustehen, auf dem man - um einen CDU-Wahlkampfspruch zu zitieren - auch in Zukunft gut und gerne leben kann. Belächelt werden die jungen Aktivistinnen und Aktivisten jedenfalls nicht (mehr).

Klima-Protest treibt Entscheider in die Enge
Ganz offensichtlich ist es "Fridays for Future" vielmehr gelungen, die Entscheidungsträger in die Enge zu treiben. Die Vehemenz, mit der mancher Hardliner Greta Thunberg verbal attackiert, ist selbstentlarvend und wirkt stellenweise irrational. Auch der viel zitierte Hinweis von FDP-Chef Christian Lindner, Klimaschutz sei eine Sache für Profis, geht ins Leere, haben es jene Profis doch offensichtlich über Jahrzehnte nicht geschafft, das Problem in den Griff zu bekommen. Angesichts des Umstandes, dass jeder, der die Augen nicht verschließt, Klimaveränderungen schon in seiner direkten Umgebung bemerken und spüren kann, wirkt die Debatte ums Schuleschwänzen wie eine weiteres Drumherumreden um das eigentliche Thema: Wie schaffen wir es noch, den von uns mit verursachten Klimawandel einzudämmen, um unsere Zukunft und die Zukunft jener Generation zu sichern, die jetzt so nachhaltig dafür demonstriert?!
Die Proteste der Schülerinnen und Schüler bieten eine hervorragende, vielleicht einmalige Gelegenheit für die Politik, wirkungsvollen Klimaschutz zu realisieren. Die tut sich bekanntlich mit Klima rettenden Entscheidungen seit jeher so unendlich schwer, weil diese unsere Lebensweise grundsätzlich infrage stellen müssen, sollen sie denn Wirkung zeigen: Autofahren, Flugreisen, überbordender Fleischkonsum, Beton als Baustoff - all' das und mehr müsste für die Rettung des Weltklimas eingeschränkt, verändert, vielleicht sogar aufgegeben werden. Arbeitsleben, Familie, Freizeit - nichts könnte so bleiben wie bisher. Bisher galt: Das ist niemandem zu vermitteln, dafür gibt es keine Wählerstimmen. Doch jetzt signalisieren die Wähler und Wählerinnen von morgen: Wir haben das verstanden! Wir sind zu Veränderungen bereit!
Klimaforscher wittern Morgenluft
Es ist kein Zufall, dass viele Klimaforscher die jungen "Fridays for Future"-Aktivisten vehement unterstützen. Diese Klima-Profis freuen sich nach Jahrzehnten des "Dicke-Bretter-Bohrens" und quälend-zäher Lobby-Arbeit auf unzähligen Weltklimakonferenzen über die neuen Verbündeten. Und sie sagen Lobbyisten, Politikern und Entscheidern schon lange das, was die Schülerinnen und Schüler jetzt lauthals für ihre Zukunft einfordern: Wir müssen jetzt handeln, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Ansonsten werden die Folgen in absehbarer Zukunft so immens sein, dass die heutige Debatte um einige verpasste Schulstunden nicht einmal mehr eine Marginalie sein wird.
Das sieht, glaubt man dem aktuellen ARD-"Deutschlandtrend", auch die Mehrheit der Deutschen so, die die Schüler-Demonstrationen während der Unterrichtszeit für in Ordnung halten. Auch angesichts dieser Unterstützung aus der Bevölkerung sind die "Fridays für Future" so etwas wie eine historische Chance. Die Politik darf sie eigentlich unter keinen Umständen verspielen. Dass sie die Gunst der Stunde erkannt hätte, lässt sich allerdings bisher nicht erkennen.