Joschka Fischer als Professor. Der Ex-Außenminister und Ex-Vizekanzler hat selber nie studiert. Aber der 62-Jährige ist fünf Jahre nach seinem Abschied aus der aktiven Politik ein begehrter Redner und Unternehmensberater. Am Mittwoch trat Fischer die viel geachtete Gastprofessur an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf an. Das Thema seiner insgesamt drei Vorlesungen: "Europas Rolle in der Welt", ein Thema ganz nach seinem Geschmack, nicht nur weil es wegen der drohenden Staatspleite Griechenlands gerade so aktuell ist.
Die linke Hand lässig in der Hosentasche lässt Fischer das Blitzlichtgewitter über sich ergehen - ein bischen genießt er es auch, als er an das Rednerpult des völlig überfüllten Konrad-Henkel- Saals tritt. Braver Applaus der Studenten, keine Zwischenrufe. Fischer unternimmt einen Parforce-Ritt durch die europäische Geschichte - Wilhelminisches Kaiserreich, Kriege, Shoah, Zerstörung und Wiederaufbau. Was hatte der Ex-Grünen-Frontmann noch vor Beginn der Vorlesung gesagt? Die Universität biete ihm mehr Freiräume als die Politik. "In der Politik zählen Ergebnisse, in der Wissenschaft Erkenntnisse." Er wolle als Gastprofessor die "Besorgnisse eines besorgten Europäers jenseits aller parteipolitischen Ansichten" darstellen.
Doch dann kommt doch der Politiker in dem Gastprofessor wieder durch. Er fährt scharfe Attacken gegen die Bundesregierung, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und vor allem gegen seinen Nach-Nachfolger Guido Westerwelle (FDP). Hochriskantes Zögern wirft Fischer der Berliner Koalition in der Griechenland-Krise vor. "Warum sich die Feuerwehr wochenlang am Kopf kratzt anstatt die Pumpen zu bedienen, verstehe ich nicht", sagte Fischer. An Hilfe für Athen werde kein Weg vorbeiführen - "oder das ganze Haus wird niederbrennen". Damit nicht genug. Fischer lobt Alt-Kanzler Helmut Kohl (CDU), den er jahrelang politisch bekämpft hatte, in höchsten Tönen. Kohl habe einen wesentlichen Teil seines politischen Kapitals in Europa investiert.
Ist das die Altersweisheit eines früheren Straßenkämpfers? Für Fischer war und ist das vereinigte Europa eine der wichtigsten historischen und politischen Errungenschaften.
Die Gastprofessur macht Fischer, der Unis vor allem aus den Studenten-Protesten Anfang der 70er Jahre kennt, sichtlich Spaß. Dabei kokettiert er auch mit seinen 62 Jahren. "Ich bin ja schon im vorgerückten Alter", sagt er. Aber gemessen am Vatikan sei er immer noch Hoffnungsträger.