Hintergrund Details der Gesundheitsreform

Das Bundeskabinett hat die umstrittene Gesundheitsreform beschlossen und damit auf den parlamentarischen Weg gebracht. stern.de stellt die wichtigsten Details vor, die am 1. April 2007 in Kraft treten sollen.

GESUNDHEITSFONDS: Dieser Finanzpool soll ab dem 1. Januar 2009 die Gelder an die Kassen neu verteilen. Bis dahin sollen alle Kassen entschuldet sein. Gespeist werden soll der vom Bundesversicherungsamt verwaltete Fonds aus den Beiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie aus langsam steigenden Steuermitteln. Jede Kasse erhält eine bestimmte Pauschale pro Versichertem plus Zuschläge je nach Alter, Gesundheitszustand und Geschlecht der Mitglieder.

BEITRÄGE: Die Höhe der Beiträge von Versicherten und Arbeitnehmern werden von der Regierung einheitlich festgelegt. Einzelne Kassen werden dadurch teurer, andere billiger. Eingezogen werden die Beiträge wie bisher von den Kassen, die das Geld an den Fonds abführen. Im Jahr 2007 steigen die Beiträge nach Berechnungen der Regierung nochmal um rund.0,5 Prozentpunkte - nach Ansicht von Experten und Kassen sogar stärker. Weitere Anhebungen sind auch 2008 nicht ausgeschlossen.

ZUSATZPRÄMIE: Kommt eine Kasse mit der ihr zugewiesenen Summe aus dem Fonds nicht aus, kann sie einen Zusatzbetrag von den Versicherten verlangen, entweder in Form eines Beitrags oder einer Pauschale. Die Zusatzprämie darf aber ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens nicht übersteigen, um sozial Schwache vor Überforderung zu schützen. Bis zu acht Euro kann eine Kasse ohne Einkommensprüfung erheben, wodurch Personen mit weniger als 800 Euro pro Monat mehr als ein Prozent zahlen müssten. Für Sozialhilfeempfänger und Rentner mit einer staatlichen Grundsicherung bezahlen die Sozialträger den Beitrag. Bezieher von Arbeitslosengeld II können von einem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen, das auch für alle anderen Versicherten gilt. Die Kassen müssen ihre Mitglieder rechtzeitig im Vorfeld über die geplante Erhebung der Prämie informieren und auf Wechselmöglichkeiten hinweisen. Das Sonderkündigungsrecht gilt sofort ab der Ankündigung der Kasse. Finanzstarke Kassen können ihren Versicherten Geld zurückerstatten.

FINANZAUSGLEICH: Durch einen neuen Risikostrukturausgleich sollen Kassen mit vielen alten und kranken Mitgliedern Geld von finanzstärkeren Konkurrenten erhalten. Die Umverteilung orientiert sich an 50 bis 80 schwerwiegenden und damit kostenintensiven chronischen Krankheiten.

VERSICHERUNGSSCHUTZ: Künftig soll jeder Bürger versichert sein. Wer den Versicherungsschutz verloren hat, kann in seine letzte Versicherung zurückkehren, gleich ob gesetzlich oder privat. Eine Pflicht zur Versicherung gibt es nicht.

PRIVATE KRANKENVERSICHERUNG (PKV): Die privaten Versicherungen müssen einen Basistarif anbieten, dessen Leistungsumfang und Höchstbetrag in etwa der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Der Tarif ist vor allem als Rückkehrmöglichkeit für ehemalige PKV-Mitglieder gedacht, die ihren Versicherungsschutz verloren haben. Aber auch freiwillig gesetzlich Versicherte oder PKV-Altkunden können dorthin wechseln. Eine Gesundheitsprüfung findet nicht statt. Der Wechsel von einer Privatkasse zur anderen wird erleichtert, indem Altersrückstellungen mitgenommen werden können. Sie werden aber nur im Umfang des Basistarifs angerechnet.

LÄNDER-SCHUTZKLAUSEL: Um unverhältnismäßige regionale Belastungssprünge durch Einführung des Fonds für einzelne finanzstarke Kassen zu vermeiden, sollen die Be- und Entlastungen allmählich angeglichen werden. So soll sichergestellt werden, dass die Belastungen für die Kassen in den unterschiedlichen Regionen pro Jahr maximal um 100 Millionen Euro wachsen.

STEUERN: Gesamtgesellschaftliche Aufgaben der Kassen sollen zunehmend über Steuermittel finanziert werden. 2008 werden 1,5 Milliarden und 2009 drei Milliarden Euro aufgebracht, um die beitragsfreie Kinder-Mitversicherung zu bezuschussen. Danach soll der Anteil weiter steigen. Die Finanzierung ist noch ungeklärt.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

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VERSICHERTE: Von den Versicherten wird künftig mehr Eigenvorsorge verlangt. So müssen sie regelmäßig an Check-Ups teilnehmen, um etwa Bluthochdruck, Diabetes und andere chronische Krankheiten frühzeitig zu erkennen. Auch die Krebsvorsorge gehört dazu. Nehmen Versicherte an den Untersuchungen nicht teil, müssen sie im Krankheitsfall nicht wie bisher maximal ein sondern zwei Prozent der Zuzahlungen aus eigener Tasche zahlen. Kranke müssen sich therapiegerecht verhalten und an Behandlungsprogrammen teilnehmen.

LEISTUNGEN: Die Kassen kommen nicht mehr voll für Behandlungsfehler bei Schönheits-Operationen, Piercings und Tätowierungen auf. Andere Leistungen werden ausgeweitet: Vorbeugende Impfungen wie auch Eltern-Kind-Kuren werden zu Pflichtleistungen der Kassen.

KRANKENKASSEN: Die Kassen bekommen mehr Möglichkeiten, direkt mit Ärzten über Leistungen und Preise zu verhandeln. Fusionen werden zwischen allen gesetzlichen Kassen möglich. Die bisher sieben Spitzenverbände müssen sich auf Bundesebene zu einem Dachverband zusammenschließen.

ARZNEIMITTEL: Um die hohen Ausgaben für Medikamente einzudämmen, werden Höchstpreise eingeführt. Kassen und Apotheker sollen direkt über Preise verhandeln.

ÄRZTE: Die Mediziner erhalten 2009 ein einfacheres und leistungsorientiertes Honorarsystem mit Pauschalpreisen. Mediziner, die sich in unterversorgten Gebieten niederlassen, erhalten finanzielle Anreize. Bei Verordnung spezieller und besonders teurer Therapien muss die Meinung eines zweiten Arztes eingeholt werden.

Reuters
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