Ein Zurück gab es für die CDU/CSU-Fraktionschefin Angela Merkel nicht mehr. Nachdem der CDU-Abgeordnete Martin Hohmann partout nicht von seinen als antisemitisch gewerteten Äußerungen abweichen wollte, geschah das Unvermeidbare. Am Freitag stimmten 195 Unionsparlamentarier für seinen Ausschluss aus der Fraktion, 28 waren dagegen. Es gab 16 Enthaltungen. Damit war die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit geschafft. Für die Union ist es der erste Fraktionsausschluss in ihrer Geschichte.
Vor der Bundestagsdebatte hatte die CDU/CSU-Fraktion ihre Abgeordneten zu einer Sondersitzung gerufen. Heute gehe keiner mit einem "Hurra-Gefühl" in die Fraktion, beschrieb Fraktionsvize Wolfgang Bosbach die gedrückte Stimmung. In mehreren Wortmeldungen hatten noch in letzter Minute Fraktionskollegen versucht, Hohmann zu überzeugen, sich von seiner Rede zu distanzieren. In einer Ansprache zum 3. Oktober hatte der Fuldaer Abgeordnete über "jüdischen Bolschewismus" referiert. In einem am Tag darauf ausgestrahlten ZDF-Interview verteidigte er seine umstrittenen Thesen als "objektive historische Wahrheit".
Merkel unter Anspannung
Nach der Entscheidung über Hohmanns Rauswurf war Merkel die Anspannung anzusehen. Es sei eine der schwierigsten Entscheidungen gewesen, sagt sie. "Das Ergebnis ist ein politisches Signal", wandte sie gegen Kritik ein. Hohmann und sein "Gedankenkonstrukt" sei ein Einzelfall gewesen. "Ein schwieriges Kapitel ist beendet", sagte Merkel und eilte ins Parlament zurück.
Doch Mehrheit ist nicht gleich Mehrheit. Während Merkel und CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer noch von einem eindeutigen Votum sprechen, konnte Bosbach seine Enttäuschung nicht verbergen. "Ich habe mir ein anderes Ergebnis gewünscht," sagte er. Immerhin wollten rund 14 Prozent der Abgeordneten, dass Hohmann auch weiterhin in ihren Reihen verbleiben kann. Merkel machte eine "menschliche Komponente" für die Gegenstimmen verantwortlich. Eine inhaltliche Diskrepanz zu der Fraktionsspitze wollte sie bei den Abweichlern nicht erkennen.
"Für ihn und die Partei das Beste"
Die Fraktionsspitze hatte sich unter dem Druck der Öffentlichkeit und nach einwöchigem Zögern zur Schadensbegrenzung entschlossen und den Antrag auf Ausschluss Hohmanns gestellt. Zuvor gab es diverse Hinterzimmer-Gespräche. Es sei für ihn und die Partei das Beste, er würde freiwillig austreten, versuchten Fraktionskollegen dem Uneinsichtigen einzuschärfen.
Als alle Bemühungen nicht fruchteten, schrieb Merkel an die Fraktion: Hohmanns Äußerungen "haben antisemitischen Charakter und sind unter keinen Umständen hinzunehmen". Sie verstießen gegen die Grundsätze der Fraktion. Unterstützung erhielt die Fraktionschefin von mehreren Landesverbänden, allen voran von dem nordrhein-westfälischen Landeschef Jürgen Rüttgers.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
Unmut an der Basis
Auch wenn formal ein Schlusspunkt unter die Hohmann-Affäre gesetzt wurde, rumort es bei der Union kräftig weiter. Viele Parteimitglieder machten ihren Unmut in E-Mails und zahlreichen Briefen Luft. Der hessische Landesverband musste schon mehrere Parteiaustritte hinnehmen. In einer Anzeigenkampagne in überregionalen Zeitungen erklärten sich weitere CDU-Mitglieder mit Hohmann solidarisch. Sie fordern eine "kritische Debatte" über die Affäre.