Innere Sicherheit Verfassungsschutz vor der Umstrukturierung?

Auf der Suche nach neuen Wegen zur inneren Sicherheit ist nun auch die Struktur des Verfassungsschutzes Streitpunkt. Die CDU will die Landesämter abschaffen, die SPD sie wenigstens zusammenlegen.

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und mehrere seiner Länderkollegen wollen die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden verbessern. So solle die Tätigkeit der Autobahnpolizei enger mit dem Bundesgrenzschutz (BGS) und den beweglichen Zollfahndungsstellen verbunden werden, sagte der Brandenburger Ressortchef Jörg Schönbohm (CDU) nach einem Treffen am Montagabend in der RBB-Sendung 'Brandenburg aktuell'. Unter dem Eindruck der Terroranschläge von Madrid planen unterdessen Politiker von CDU und SPD nach Informationen der 'Berliner Zeitung', den Verfassungsschutz durch Zentralisierung zu stärken.

Das Treffen Schilys mit den Innenministern von Bayern, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg war bereits vor den Anschlag von Madrid geplant gewesen. Schönbohm sagte: "Wir müssen die Zusammenarbeit zwischen dem Bundeskriminalamt, den Zollämtern und dem BGS intensivieren, denn zur Zeit gibt es noch Datenbanken, die nebeneinander existieren und die wir besser miteinander verknüpfen wollen."

Struktur bleibt umstritten

Die Struktur des Verfassungsschutzes bleibt derweil umstritten. Bislang existieren neben dem Bundesamt weitere 16, ihm nicht unterstellte Landesbehörden. Der nordrhein-westfälische CDU-Chef Jürgen Rüttgers wolle die Abschaffung der Landesämter vorschlagen, berichtet die 'Berliner Zeitung' unter Berufung auf ein Strategiepapier, das Rüttgers in der kommenden Woche vorlegen wolle. Die SPD lehne seinen Plan ab. Ihr innenpolitischer Sprecher im Bundestag, Dieter Wiefelspütz, wolle stattdessen durch Zusammenlegung die Zahl der Landesbehörden verringern. So könne es Verfassungsschutzämter Nord, Süd, West und Ost geben. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) hält nichts von der Idee: "Davon halte ich gar nichts", sagte er der Zeitung und fügte hinzu: "Ich bin überzeugt, dass eine Behörde, die dezentral organisiert ist, einer zentralen Behörde überlegen ist."

Gewerkschaft der Polizei beklagt Personalmangel

Niedersachsens CDU-Ministerpräsident Christian Wulff forderte "bundesweit die Video-Überwachung von öffentlichen Plätzen und gefährdeten Einrichtungen". Auch der Video-Einsatz im Umfeld von Moscheen und islamistischen Zentren sei denkbar, sagte er der Oldenburger 'Nordwest-Zeitung' . Der FDP-Innenpolitiker Max Stadler warnte indes im 'Kölner Stadt-Anzeiger' davor, "in einen Überbietungswettlauf um neue Gesetze einzutreten".

Die Gewerkschaft der Polizei warnt unterdessen vor Sicherheitslücken durch Personalmangel in ihren Reihen. "Vor fünf Jahren hatten wir noch 273.000 Polizei- und Vollzugsbeamte. Heute haben wir 7000 weniger", sagte der Vorsitzende Konrad Freiberg der 'Westdeutschen Allgemeinen Zeitung'. Dagegen sagte Bundesinnenminister Schily am Montagabend im ZDF-'heute journal', es mangele nicht an Personal. Wichtiger sei es, die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in Europa zu intensivieren.

Bundeswehrverband gegen inländischen Soldateneinsatz

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, ist gegen einen erweiterten Einsatz der Streitkräfte zur Terrorabwehr im Inland. Er lehne dies grundsätzlich ab und plädiere für ein Bundeswehr-Aufgabengesetz, sagte Gertz am Dienstag im Deutschlandfunk. In einem solchen Gesetz könnten "diese konkreten Fälle, in denen die Bundeswehr zur Ergänzung der Polizei- und Grenzschutzkräfte hinzutritt", sauber abgegrenzt werden.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Es gebe konkrete Situationen wie Naturkatastrophen oder schwere Unglücksfälle, die Polizei und Bundesgrenzschutz (BGS) überfordern könnten. "Das kann möglicherweise auch dann ausgelöst werden, wenn es massive terroristische Anschläge gibt". Wenn dann die Kräfte von Polizei und Bundesgrenzschutz nicht ausreichten, gebe aber "das Grundgesetz auch heute schon die Möglichkeit, die Bundeswehr als Ergänzung solcher Kräfte anzufordern", sagte Gertz.

Der Verbandsvorsitzende wies auf die unzureichende Ausbildung der Soldaten für Einsätze im Inland hin. "Die Soldaten der Bundeswehr sind zum Beispiel nicht ausgebildet im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht." Sie seien nur ausgebildet, militärisch umschlossene Anlagen zu sichern, sagte Gertz mit Blick auf eine mögliche Sicherung von Bahnhöfen und Ahnlichem durch Soldaten.

DPA
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