Die Äußerungen des türkischen Ministerpräsident Erdogan zur Assimilation der Türken in Deutschland sind kritisch aufgenommen worden. Bundeskanzlerin Merkel warf Erdogan eine falsche Vorstellung von Integration vor. Integration bedeute, sich in die Lebensweise eines Landes hineinzufinden. Wer die deutsche Staatsbürgerschaft besitze, sei Staatsbürger ohne Abstriche.
Erdogan hatte die Deutschtürken am Sonntag auf einer Veranstaltung in Köln vor Assimilation gewarnt. "Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit." Dies könne niemand von den im Ausland lebenden Türken verlangen. Zugleich betonte er aber auch, wie wichtig das Erlernen der deutschen Sprache sei. Merkel unterstrich, das dauerhafte Leben in einem Land bringe es mit sich, die Gewohnheiten in diesem Land anzunehmen. "Deshalb, denke ich, sind wir hier noch nicht am Ende der Diskussion."
"Assimilation nicht im Gegensatz zur Integration"
Der Vorsitzende des Islamrats in Deutschland, Ali Kizilkaya, nannte die Aufregung um Erdogan unverständlich. "Assimilation abzulehnen steht doch nicht im Gegensatz zu Integration, sagte er dem "Tagesspiegel". "Wir leiden schließlich in Deutschland darunter, dass viele junge Migranten gar keine Identität mehr haben."
Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) sprach von nationalistischen und unerfreulichen Tönen. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck sagte, Integration bei Beibehaltung der eigenen Kultur sei durchaus die richtige Antwort und kein Verstoß gegen die Menschenwürde. Integration bedeute nicht, dass türkische Mitbürger ihre kulturelle und religiöse Identität aufgeben sollten, sagte er in Berlin. Nicht einverstanden sei er aber mit der Äußerung Erdogans zur Assimilation. Beckstein sprach von Tendenzen zur Gettobildung mit Unterstützung der türkischen Regierung: "Da müssen wir noch einmal sehr offen und ernst mit der türkischen Regierung reden." Auch mit seinem Vorstoß nach türkischsprachigen Schulen und Universitäten in Deutschland stößt Erdogan weiter auf Ablehnung.
Merkel: Kein Problem mit deutsch-türkischen Gymnasien
Merkel sagte, sie habe keine Einwände gegen deutsch-türkische Gymnasien und Türkisch als Fremdsprache. Doch habe sie Vorbehalte, "dass türkische Lehrer jetzt nach Deutschland kommen, um mit den hier lebenden türkischstämmigen jungen Leuten Unterricht zu machen".
Bayerns Europaminister Markus Söder hielt Erdogan vor, ihm gehe es einzig darum, Politik von Ankara aus zu machen. Er halte es für möglich, dass Erdogan mit seinen Äußerungen den Weg für eine türkische Partei in Deutschland bereiten wolle", sagte der CSU-Politiker der Zeitung "Die Welt". Die Integrationsprozesse würden damit aber in die gegenteilige Richtung laufen.