Jade-Weser-Port Verschwendungsorgie am Jadebusen

Von Jan-Philipp Hein
Nachdem ein Bremer Spitzenpolitiker Vorwürfe der Günstlingswirtschaft gegen Regierungschef Christian Wulff erhoben hatte, war die Empörung groß in Niedersachsen. Doch nun verdichten sich die Hinweise auf eine Wettbewerbsverzerrung beim Bau des Jade-Weser-Ports - und es droht ein Einschreiten der EU.

Chaos, wohin man blickt: Der Bau des Jade-Weser-Ports in Wilhelmshaven ist eine Mixtur aus politischer Schlammschlacht, Missmanagement und juristischen Fallstricken. Nachdem stern.de von Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe des rund 500 Millionen Euro schweren Bauauftrags und bei der Bewilligung von weiteren Zahlungen in Millionenhöhe berichtet hatte, attackierten die Niedersachsen ihre Bremer Projektpartner. "Das Verhältnis zu Bremen kühlt ab", überschrieb die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" einen Text, der Reaktionen zusammenfasste - und war damit noch recht zurückhaltend. Die Stimmung zwischen den beiden Ländern ist auf dem Nullpunkt.

Niedersachsen und Bremen wollen zusammen am Jadebusen bei Wilhelmshaven einen Tiefwasserhafen realisieren. Den Auftrag bekam nach einem dramatischen Vergabeverfahren das im niedersächsischen Emsland beheimatete Bauunternehmen Bunte. Ein Gericht hatte den Konkurrenten Hochtief zuvor ausgeschlossen – wegen angeblicher nachträglicher Veränderungen des Angebots. Doch bis jetzt gibt es Zoff.

Baufirma aus CDU-Hochburg

Bunte fordert mehr Geld, und Niedersachsen kommt dem Unternehmen entgegen. stern.de berichtete vergangene Woche von einer sogenannten "Turboprämie" in Höhe von 8,5 Millionen Euro. Das Geld werde gezahlt, damit der Bau beschleunigt werden könnte, heißt es offiziell. Unabhängig davon fordert Bunte wegen gestiegener Materialpreise noch mal rund 65 Millionen Euro mehr. Auch hier signalisiert Niedersachsen hinter den Kulissen die Bereitschaft zu Konzessionen – und verprellt damit seinen Partner Bremen. Der klamme Stadtstaat kann sich keine Mehrkosten erlauben. Der Fraktionsvize der regierenden SPD, Martin Günthner, vermutet gar Günstlingswirtschaft und warf Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) vor, dieser mache sich zum "Erfüllungsgehilfen" Buntes. Garniert wird der Vorwurf damit, dass Wulffs Landesregierung und die CDU eine besondere Nähe zu Bunte hätten. Harter Tobak. Zuvor hatte Wulff hinter den Kulissen den Abgang des bremischen Geschäftsführers der länderübergreifenden Hafenbaugesellschaft gewünscht. Bunte ist in einer CDU-Hochburg beheimatet. Der Aufsichtsratschef der Baufirma ist ein Urgestein der niedersächsischen CDU. Walter Remmers war in den Achtzigern Justizminister der Regierung Ernst Albrecht.

"Frechheit"

Der stern.de-Bericht hat zu heftigen Reaktionen geführt. Die Staatskanzlei wies ihn als "absurd" zurück. Der Bremer Sozialdemokrat Günthner wurde sogar von seinen niedersächsischen Genossen angegriffen. Der SPD-Abgeordnete Gerd Will sprach in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" davon, dass der Vorstoß Günthners "äußerst schädlich" sei. Die Bremer sollten "endlich Ruhe geben und aufhören nachzukarten", zitiert ihn die Zeitung. Der FDP-Fraktionsgeschäftsführer Jörg Bode wird noch deutlicher und stellt sogar die Zusammenarbeit mit Bremen in Frage. "Unverschämt" und eine "Frechheit" sei das, was Günthner sage. In der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" spricht Bode von "tiefer Sorge über das Verhältnis von Niedersachsen und Bremen". Der weitere Ausbau des Gemeinschaftshafens könne sogar ohne Bremen und mit Hamburg erfolgen.

Unterdessen wittert Hochtief eine Bevorzugung Buntes. Das Konsortium um den Essener Bauriesen verlangt jetzt von der staatlichen Jade-Weser-Port-Realisierungsgesellschaft (JWPR) Aufklärung über die 8,5 Millionen Euro Nachzahlung zur Beschleunigung. Nach stern.de-Recherchen wird es schwer fallen, diese Zahlung plausibel zu begründen. Fakt ist: Schneller als in der Ausschreibung vorgesehen, wird der Hafen nicht fertig werden. Nach der Umstellung des Bauplans werden nur einzelne Bauphasen nach vorne gezogen, um noch in diesem Jahr Regional-Fördertöpfe der Europäischen Union anzapfen zu können. So kommen die Essener zu dem Schluss, dass eine sowieso im Bauvertrag vorgesehene Leistung honoriert würde. Pikant: Nach der Umstellung, so ist zu erfahren, ähnelt der Bauablauf einer Variante, die im Vergabeverfahren von Hochtief angeboten wurde. Vergaberechtler sehen jetzt eine mögliche Wettbewerbsverzerrung. Die Gefahr, dass die EU, die wegen der Nachforderungen und der ersten Nachzahlungen sowieso schon aufgeschreckt ist, ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet, sei gestiegen, so Juristen. Im Hafenausschuss der Bremer Bürgerschaft räumte Wirtschaftsstaatsrat Heiner Heseler (SPD) ein, dass Anwälte die Turbo-Zahlung unterschiedlich bewerten würden.

Bunte-Chef Manfred Wendt hat mit einer Pressemitteilung auf den stern.de-Text reagiert. "Mauscheleien oder Günstlingswirtschaft hat es seitens unseres Unternehmens nicht gegeben", heißt es. Auf die niedersächsische Landesregierung unter Wulff sei zu keiner Zeit Einfluss genommen worden. Und mit den 8,5 Millionen Euro würde "lediglich das Aufspülen des Sandes im Hafenbereich beschleunigt".

"Das kann man nicht ernst nehmen."

Günthner bleibt bei seiner Kritik an der niedersächsischen Landesregierung und vermutet weiterhin eine Verschwendungsorgie mit politischem Hintergrund. Zu den Vorwürfen, die auf ihn einprasseln sagt der Bremer SPD-Fraktionsvize: "Das kann man nicht ernst nehmen." Wendt feiert in zwei Wochen seinen 50. Geburtstag. Deswegen lädt er zu "einer wirtschaftspolitischen Vortragsveranstaltung" ein. Neben seinem CDU-Aufsichtsratschef und Minister a.D. und dem CDU-Landrat des tiefschwarzen Emslands spricht auch ein Liberaler: Walter Hirche, in Wulffs Kabinett Wirtschaftsminister. Sein Ressort ist für den Hafenbau zuständig. Thema der Sause: Public Private Partnership in der Bauwirtschaft.

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