Joschka Fischer "Heilfroh, dass ich weg bin"

Er war Bundesaußenminister und lange Jahre das Aushängeschild der "Grünen": Joschka Fischer. Im stern-Interview zieht er eine Bilanz seiner Politik, spricht über die Entfremdung von seiner Partei und mögliche zukünftige Ämter.

Der frühere Außenminister Joschka Fischer hat die Grünen eindringlich vor einem Linksruck und Koalitionen mit der Linkspartei gewarnt. "Wir haben eine Stammwählerschaft, die weit in die Mitte reicht. Bei uns haben sich die linken Wähler schon seit längerem verabschiedet", sagte Fischer in einem interview mit dem stern.

"Wenn die Grünen glauben, sie könnten zu einem linken Protestprofil zurück, ohne einen heftigen Preis dafür zu zahlen, täuschen sie sich." Die Partei habe "Großes geleistet", fügte Fischer hinzu. "Ich würde mir nur wünschen, dass sie dazu auch steht." So teile er die Skepsis gegenüber dem deutschen Engagement in Afghanistan nicht, "im Gegenteil, wir müssten viel mehr machen."

"Keine Konzerte mehr"

Die Grünen würden ihm nicht fehlen, sagte Fischer. Umgekehrt sei es ebenso. "Zumindest in der Spitze scheinen alle heilfroh zu sein, dass ich weg bin." Anders als Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der der SPD in Wahlkämpfen hilft, will der Ex-Außenminister für die Grünen nicht mehr auftreten. "Keine Konzerte mehr", sagte Fischer, der sich einst als "letzter Live-Rock'n'Roller" unter den deutschen Politikern bezeichnet hatte.

Zwischen seiner Partei und ihm, so Fischer, habe es einen "immerwährenden Kampf" gegeben, "der am Ende Wunden hinterlassen hat". Auf dem tumultösen Sonderparteitag in Bielefeld 1999, bei dem die Grünen über die Beteiligung am Kosovo-Krieg entscheiden mussten, habe es "einen inneren Bruch gegeben. Ich habe nie darüber gesprochen, aber es hat mich der Partei sehr entfremdet", sagte Fischer.

"Die Welt wartet nicht auf uns"

Fischer forderte die Große Koalition auf, jetzt keine Reformpause einzulegen. "Die Welt um uns herum wartet nicht auf uns." Bei seinem einjährigen Aufenthalt in den USA habe er es "sehr faszinierend" gefunden, "dass Dinge einfach gemacht werden", sagte er. "Es gibt eine andere Bereitschaft zum Handeln, zu mehr Risiko und weniger Skepsis." Er finde es gut, dass die Bundesregierung "den Mut zur Rente mit 67 hatte". In der Arbeitsmarktpolitik müsste nun alle Energie darauf verwendet werden, "mehr Flexibilität zu ermöglichen", vor allem durch bessere Förderung und Qualifizierung.

Erstmals gab Fischer zu erkennen, wie ernst er die Visa-Affäre im Jahr 2005 genommen hatte. "Als Opposition hätte ich auch auf mich draufgeschlagen", sagte der grüne Ex-Politiker dem stern. Allerdings sei die Union damals "viel zu stümperhaft" gewesen und habe den Untersuchungsausschuss falsch besetzt. "Da hat Frau Merkel ihr großes christliches Herz bewiesen. Das habe ich dankend angenommen", so Fischer.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Fischer bestritt, Ambitionen auf das Amt des Bundespräsidenten zu hegen. "Es gibt wenige Ämter, für die ich ungeeigneter wäre", sagte er dem stern. "Wenn ich etwas als Außenminister nicht gemocht habe, dann das Repräsentative, das Zeremonielle. Das bin ich einfach nicht. Absurd."

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