Jürgen Möllemann hat in den letzten Monaten seines Lebens den früheren politischen Weggefährten Rätsel aufgegeben - er tut es bis in den Tod hinein. "Wenn es wirklich ein Freitod war, war es die größte Fehlentscheidung, die ein Mensch in seinem Leben machen kann", sagte ein Freund bis zuletzt, der Münsteraner FDP-Bezirksvorsitzende Heinz-Wilhelm Steinmeier, am Donnerstagnachmittag im WDR.
Die Todesumstände des bekannten und in höchstem Maße umstrittenen Politikers werden möglicherweise nie wirklich geklärt werden können, meinte der Essener Oberstaatsanwalt Wolfgang Reinicke am späten Nachmittag in einer eilends einberufenen Pressekonferenz, und gab bereits aufgekommenen Spekulationen neue Nahrung: Die Staatsanwaltschaft ermittle in alle Richtungen, sagte er. Es könne sich um einen Unglücksfall ohne Fremdverschulden handeln, um Selbstmord, aber auch um Mord: In Frage kommen könne auch "zum Beispiel eine Manipulation am Fallschirm durch eine fremde Person".
Gegen 12.30 Uhr zu Tode gestürzt
Möllemann war am Donnerstag gegen 12.30 Uhr aus einem Flugzeug über dem kleinen Flugplatz Marl-Loemühle zu Tode gestürzt, wenige Minuten nachdem die Staatsanwaltschaften Düsseldorf und Münster mit der Durchsuchung seines Hauses in Münster und weiterer 24 Lokalitäten in 13 Städten Deutschlands, Luxemburgs, Spaniens und Liechtensteins begonnen hatten.
Zeugenaussagen deuteten schnell auf einen Freitod hin: Möllemanns Fallschirm habe sich kurz nach dem Sprung aus 4.000 Meter Höhe normal geöffnet, in etwa 1.000 Meter über dem Grund habe er aber den Hauptschirm verloren. Der Reserveschirm, den Möllemann nach Angaben der Staatsanwaltschaft bei sich hatte, öffnete sich jedoch nicht. Experten vertraten die Meinung, dass Möllemann den Hauptschirm in dieser Flugphase nicht durch einen Unfall verloren haben könne, sondern ihn bewusst abgeworfen habe.
Schon vor Sprung von Durchsuchung gewusst
Dass Möllemann schon von der Durchsuchungsaktion der Staatsanwaltschaft gewusst haben muss, bevor er an Bord des Flugzeugs vom Typ Pilatus Porter stieg, verdichtete sich am Nachmittag. Möllemanns langjähriger politischer Kampfgefährte, der schleswig-holsteinische FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, offenbarte in n-tv, dass er Möllemann am Vormittag davon informiert habe, dass der Bundestag in Kürze seine Immunität aufheben wolle. Das sollte gegen Mittag erfolgen und war offiziell geheim gehalten worden, offensichtlich aber schon zu Journalisten durchgedrungen, da bereits am Morgen Reporter vor mindestens einem Büro Möllemanns und vor dessen Haus in Münster Stellung bezogen hatten.
Aber auch Zweifel an der Selbstmordthese wurden laut: Beim "Spiegel" meldete sich ein alter Freund und wies darauf hin, dass es nach Auskunft der Familie offenbar keinen Abschiedsbrief gebe. "So wie er gestrickt war, hätte er das getan", sagte Uwe Tönningsen, Inhaber der einst von Möllemann mitbegründeten Firma "Agentur PR+Text" in Münster, nach Angaben von "Spiegel". "Das ist keiner, der sich aus dem Leben stiehlt." Freilich hätten die politischen Turbulenzen der letzten Monate Möllemann schwer zugesetzt: "Er war nicht mehr der Alte."