Da waren's plötzlich drei: Die Karten für die Nachfolge von Berlins Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) sind neu gemischt. Überraschend tritt Stadtentwicklungssenator Michael Müller gegen SPD-Fraktionschef Raed Saleh und den Landesvorsitzenden Jan Stöß an.
Überraschend, weil viele den 49-Jährigen und seine politische Karriere längst abgeschrieben hatten, nachdem er 2012 den Vorsitz der Berliner SPD an Stöß verloren hatte. Spätestens aber seit der krachenden Niederlage beim Volksentscheid über eine Bebauung des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Jetzt aber gilt er einigen in der SPD gar als heimlicher Favorit.
Müller ist einer, dem man am Gesicht ablesen kann, wie es ihm geht. Das ist auch am Freitag so. Als er seine Kandidatur bekanntgibt, wirkt Müller entspannt, die wachen Augen strahlen, er lächelt mal breit, mal verschmitzt. Seit Wowereit am Dienstag seinen Rücktritt zum 11. Dezember angekündigt hat, sind drei Tage vergangen. Müller hat sich Zeit gelassen. "Es gab keinen Grund, innerhalb weniger Stunden auf alles eine Antwort zu geben."
Die Unerfahrenheit der anderen
Er habe sich erstmal von Wowereit erläutern lasse, was das Amt mit sich bringe, auch persönlich, für Freunde und Familie. Mit dem scheidenden Regierungschef verbinde ihn "ein enges Vertrauensverhältnis". Einst galt Müller als Wowereits Kronprinz, der natürliche Nachfolger. Doch vielen war er zu blass, fachlich zwar hervorragend, aber kein "Typ".
Der Zeitpunkt, zu dem der 49-Jährige seine Kandidatur verkündet, ist geschickt gewählt. Müller kommt zu einer Zeit, in der in der Partei Stimmen laut werden, keiner der bisherigen Bewerber sei die optimale Lösung. In einer Umfrage für RBB und "Berliner Morgenpost" sagten 44 Prozent, sie wollten weder Stöß noch Saleh als Regierenden Bürgermeister. An der SPD-Basis spricht man von einer Entscheidung zwischen Pest und Cholera.
Der smarte Stöß, 41, gilt vielen als politisch zu unerfahren, saß nie im Abgeordnetenhaus. Saleh, 37, gilt zwar als guter Strippenzieher, doch wegen seiner floskelhaft-monotonen Sprache als nicht besonders vorzeigbar. Beide sind für ein politisches Spitzenamt recht jung. Wenn Müller beim Mitgliederentscheid der SPD antrete, so hatte der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky vorgeschlagen, sollten die "Youngster" doch lieber zurückziehen. Führende Berliner SPD-Politiker sehen "gute Chancen" für Müller auch im Dreikampf.
Vorfreude auf einen fairen Wettbewerb
Der 49-Jährige setzt auf seine Erfahrung: 18 Jahre Abgeordneter, 10 Jahre Fraktionschef, 8 Jahre Parteivorsitzender und knapp 3 Jahre Stadtentwicklungssenator. "Manches muss man mitbringen, wenn man Politiker werden will, aber es gibt auch vieles, was man lernen muss", betont er.
Als Nachtreten gegen politische Gegner will Müller seine Kandidatur nicht verstanden wissen: "Es geht um keine alten Fragen, die nochmal aufzurollen und zu klären sind." Stöß und Saleh erklären, sie freuten sich auf einen fairen Wettkampf. Müller lobt, beide machten "in ihrer Funktion hervorragende Arbeit". Wenn es nach ihm geht, behalten sie diese Funktion - und er zieht als lachender Dritter ins Rote Rathaus.