Kanzleramt Schröder stoppt Reform der Pflegeversicherung

Bundeskanzler Schröder hat die Pläne von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt für eine umfassende Reform der Pflegeversicherung gestoppt. Dazu zählt auch der Beitragszuschlag für Kinderlose.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die Pläne von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt für eine umfassende Reform der Pflegeversicherung gestoppt. Dazu zählt auch der Beitragszuschlag für Kinderlose. Wie Regierungsvertreter bestätigten, verständigte sich eine Spitzenrunde im Kanzleramt darauf, vorerst nur das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Danach müssen Eltern bei den Pflegebeiträgen bis Ende 2004 entlastet werden. Die Grünen dringen dagegen weiter auf eine Reform.

Eine durchgreifende Reform will die Regierung dagegen erst später in Angriff nehmen. Vom Tisch ist damit das Vorhaben, Kinderlose und Eltern von erwachsenen Kindern mit einem Sonderbeitrag von 2,50 Euro im Monat zur Kasse zu bitten. Gestoppt wurde auch die geplante Dynamisierung der Leistungen, die Anhebung der ambulanten Sachleistungsbeträge und die Senkung der stationären Beträge. Insgesamt sei die Grenze der Belastbarkeit für die Bürger erreicht, erklärte Schröder nach Angaben von Teilnehmern am Dienstag vor der SPD-Bundestagsfraktion.

Niederlagen für Ulla Schmidt

Die Union sprach von einer "bitteren Niederlage" für Ulla Schmidt. Regierungssprecher Bela Anda betonte dagegen, die Entscheidung sei "im Einklang" mit der Ministerin gefallen. Schmidts Sprecher Klaus Vater erklärte, in der Debatte um die Pflegeversicherung habe es in den vergangenen vier Wochen einen "gewaltigen Lernprozess" gegeben. Die Gesundheits- und die Rentenreformen seien bereits sehr kompakt, deshalb solle die Pflegeversicherung "etwas entzerrt" werden.

Grenze der Zumutbarkeit erreicht

Anda wies Spekulationen zurück, dass die Entscheidung auch auf die schlechten Umfragewerte der SPD zurückgehe. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Wilhelm Schmidt, erklärte aber, unabhängig von der Pflegeversicherung sei für die Bürger die Grenze der Zumutbarkeit bei Reformen und Umwälzungen fast erreicht. Klar sei, wer in den Umfragen bei 24 Prozent liege, habe den Menschen einiges zugemutet.

Entlastung für Eltern noch dieses Jahr

Wie die Besserstellung von Eltern in der Pflegeversicherung konkret aussehen soll, ist noch offen. Klar sei: "Wir werden diejenigen, die Kinder erziehen, entlasten, und diejenigen, die keine erziehen, nicht belasten", sagte Vater. Eine Neuregelung solle in den nächsten Wochen diskutiert werden. Es werde aber eine Lösung innerhalb des Systems gesucht. Nach Angaben von SPD-Fraktionsgeschäftsführer Schmidt wird für die Betreuung von Demenzkranken eine Neuregelung noch in diesem Jahr angestrebt.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Zustimmung von der Opposition

Union und FDP begrüßten die Entscheidung. Der Kanzler habe die Novelle der Pflegeversicherung offiziell beerdigt, erklärte der sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Andreas Storm. FDP-Experte Daniel Bahr sagte, um das BVG-Urteil umzusetzen, müssten Eltern jetzt entweder bei den Beiträgen zur Pflegeversicherung entlastet werden, oder sie müssten eine Prämie aus Steuermitteln enthalten.

Hingegen sprachen sich die Grünen auf eine umfassende Reform noch in diesem Jahr aus. Fraktionschefin Krista Sager sagte nach einem Vorabbericht der "Süddeutschen Zeitung", man müsse die Pflege langfristig auf sichere Beine stellen.