Kapitalismuskritik Müntefering dreht auf

SPD-Chef Franz Müntefering wird nicht müde, seine Kapitalismuskritik zu erneuern. Der stete Tropfen höhlt offenbar den Stein. Die Union ist weich geworden.

Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hat seine Kritik an Auswüchsen des Kapitalismus verschärft. In einer von der FDP beantragten Aktuellen Stunde prangerte Müntefering am Donnerstag im Bundestag Banken an, die kleinen Unternehmen Kredite für nötige Investitionen verweigerten. Gleichzeitig kaufe sich aus dem Ausland "großes Geld mit kurzfristigem Profitinteresse" ein und beute "Unternehmen in kurzatmigen Zyklen aus".

Die meisten Unternehmen seien für soziale Marktwirtschaft

Müntefering sagte, die weitaus meisten Unternehmen in Deutschland orientierten sich weiter an der sozialen Marktwirtschaft. Aber es gebe auch Firmen, die nur "wegen ein paar Prozent mehr Gewinn" ins Ausland umsiedelten und hier Arbeitnehmer und ihre Familien im Stich ließen. Rund 15 Prozent des Brutto-Inlandsproduktes würden inzwischen "illegal und in Schwarzarbeit erwirtschaftet - 250 bis 350 Milliarden Euro pro Jahr". Müntefering: "Die ehrlichen Unternehmen sind die Dummen." Eine Debatte über die moralische Verantwortung von Unternehmern und Managern in Deutschland sei deshalb überfällig.

Dagegen sagte der CDU-Politiker Hartmut Schauerte mit Blick auf die Wahlentscheidung am 22. Mai in Nordrhein-Westfalen: "Das ist die Panik einer großen Partei, die ihre letzte Bastion verliert". Bisher sei es "das Privileg von NPD und PDS" gewesen, "Menschen mit einfachen Parolen in die Irre zu führen". In ihrer Not folge die SPD jetzt dieser Strategie.

Rückkehr zum Klassenkampf

Westerwelle warf dem SPD-Chef die Rückkehr zum Klassenkampf vor. Sein Fraktionskollege Andreas Pinkwart sagte, die SPD wolle nur von ihrer Verantwortung ablenken. Es sei die rot-grüne Wirtschaftspolitik, die zu steigenden Arbeitslosenzahlen und mehr Firmenpleiten führe. Die CSU-Wirtschaftspolitikerin Dagmar Wöhrl sagte, Ursache für die derzeitigen Probleme sei "nicht Markt- sondern Staatsversagen".

Mehrere Unionspolitiker bezeichneten allerdings wie zuvor Müntefering eine Debatte über die Verantwortung der Wirtschaft als nötig. Die Menschen seien verunsichert, wenn sie einerseits von steigenden Renditen hörten und gleichzeitig von Massenentlassungen erführen, sagte Hermann Kues (CDU). Sein Fraktionskollege Gerald Weiß sagte: "Wenn Gier grenzenlos ist und die Rendite zum goldenen Kalb wird, dann muss das angeprangert werden." Die CDU sei bereit, diese "ethische Debatte" mit der SPD zu führen. Dabei dürfe man aber nicht nur Missstände anprangen, sondern müsse auch Antworten geben.

Nach Auffassung der Grünen hat Müntefering mit seinen "provozierenden Aussagen" eine längst überfällige Debatte angestoßen. Es könne in der Wirtschaft nicht nur um Aktienkurse und kurzfristige Rendite gehen, sagte die Finanzpolitikerin Christine Scheel. Ihr Fraktionskollege Werner Schulz verwies darauf, dass der gestorbene Papst Johannes Paul II. gerade diese Auswüchse des Kapitalismus in seiner Sozialenzyklika beklagt habe.

DPA
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