Geheimpapiere, Alleingänge, überraschende Gäste - die CSU lässt sich alljährlich einiges einfallen, um ihre traditionsreiche Klausurtagung im oberbayerischen Wildbad Kreuth spannend zu machen. Für dieses Jahr hat Landesgruppenchef Michael Glos ein ganz besonderes Schmankerl versprochen. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber werde bei dem heute beginnenden Treffen auch zur Frage Stellung nehmen, wer der »Bannerträger der Union« im Bundestagswahlkampf sein wird.
Sollte in dem idyllischen Alpental, in dem früher Magenkranke und Schwindsüchtige Genesung suchten, wirklich die seit Monaten quälende K-Frage gelöst werden? Bei der CSU-Landesgruppe meldeten sich nach der Ankündigung von Glos noch mehr Journalisten als bisher zu dem eigentlich internen Konvent an.
Stoiber unter erheblichem Erwartungsdruck
Stoiber steht am Dienstag bei seiner Visite unter erheblichem Erwartungsdruck. Die Bundestagsabgeordneten der CSU, von Anfang an treibende Kraft für die Kandidatur ihres Parteichefs, erwarten ein klares Signal. Sie wollen nach der leidigen Dauerdiskussion endlich wissen, woran sie sind. »Die Unionsfraktion steht mit großer Mehrheit hinter Stoiber«, sagt der CSU-Mittelstandsexperte Hans Michelbach. »Jetzt sollte die Frage möglichst schnell geklärt werden.«
CSU-Alleingang wäre für Merkel ein Affront
Für CDU-Chefin Angela Merkel allerdings wäre eine Kür des Ober-Bayern im CSU-Alleingang ein Affront. Ausgerechnet dort, wo die CSU vor gut 25 Jahren die später wieder zurückgenommene Trennung von ihrer Schwesterpartei beschloss, würde sie aus dem Rennen gekegelt - der »Kreuther Geist« ließe grüßen. Stoibers Getreue wiegeln deshalb erschrocken ab: »Der Ministerpräsident hält sich an die mit der CDU verabredete Linie. Er ist an einem fairen und partnerschaftlichen Verfahren interessiert.«
Im Klartext: Die Entscheidung soll wie geplant im Gespräch zwischen Merkel und Stoiber fallen - nicht auf der CSU-Klausur, allerdings genauso wenig auf der CDU-Vorstandsklausur wenige Tage später in Magdeburg. »Auch Stoiber hat ein elementares Interesse, dass Merkel am Schluss nicht als Verliererin dasteht«, sagt ein CSU- Führungsmann. »Wir brauchen beide Vorsitzenden unbeschädigt für den Wahlkampf.«
Die Christsozialen halten Stoiber unisono für den Kandidaten, der gegen SPD-Kanzler Gerhard Schröder mehr Punkte holen kann. Ein ungebrochener Rückhalt auch in der CDU gilt dabei als Schlüssel zum Erfolg. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer stellte in Berlin noch einmal klar, dass sich seine Partei nicht unter Zeitdruck setzen lasse. »Es gibt für beide Kandidaten gute Gründe«, sagte er. Die genauen Gründe für jeden der beiden Aspiranten wollte er dann aber doch nicht nennen. Er habe
keinen Zweifel daran, dass die Kandidatenfrage »ordnungsgemäß« geregelt werde.
»Man muss ihn nicht mehr zum Jagen tragen«
Nachdem Stoiber angesichts der düsteren Wirtschaftsaussichten zunehmend Chancen sieht, doch einen Stich gegen Schröder zu machen, ist seine lange zögerliche Haltung fast einer Art Kampfeslust gewichen. »Man muss ihn nicht mehr zum Jagen tragen«, konstatiert ein Parteifreund zufrieden. Die neu aufgeflammte Diskussion um die CSU- Spendenpraxis sehen Vorstandsmitglieder nicht als Stolperstein - sie halten die Vorwürfe durch die früheren Stellungnahmen des Bundestages bereits für ausgeräumt.

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Und Merkel? Dass die CDU-Chefin während der Weihnachtsfeiertage unmissverständlich ihren Führungsanspruch angemeldet hat, treibt die CSU-Strategen nicht sonderlich um. Möglicherweise, so wird in München spekuliert, wolle die Konkurrentin damit ihre Stellung ausbauen, um Stoiber aus einer Position der Stärke heraus die Kandidatur antragen zu können. »Frau Merkel hält sich zwar selbst für die bessere Kandidatin«, sinniert ein CSU-Spitzenpolitiker. »Aber sie kann wohl kaum ignorieren, dass auch das Führungspersonal der CDU nicht mehrheitlich auf ihrer Seite steht.«