Eigentlich hätte die SPD am Montag in Ruhe ihren Wahlsieg in Bremen feiern sollen. Doch Nordrhein-Westfalens Peer Steinbrück machte der eigenen Partei einen Strich durch die Rechnung. Ganz offen stellte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident in Düsseldorf die rot-grüne Koalition in Frage und zündete damit die Lunte an einem Sprengsatz, dessen Explosion wohl auch noch in Berlin erhebliche Schäden anrichten würde.
Rot-Grün im "Klärungsprozess"
Dabei gab sich der Sozialdemokrat nüchtern wie immer. Rot-Grün befinde sich in einem Klärungsprozess, sagte er. Und: Es liege "in der Natur eines solchen Klärungsprozesses, dass erst am Ende feststeht, ob ein Einvernehmen gelingt". Jeder müsse wissen, dass die Interessen des Landes bei allen seinen Entscheidungen "stets an erster Stelle stehen." Doch was da so nüchtern daherkommt, könnte die wohl schwerste Krise in der an Streitigkeiten nicht armen rot-grünen Koalition in Düsseldorf sein. Ging es bisher bei den Streitigkeiten an Rhein und Ruhr meist um Sachthemen wie Braunkohlentagebau oder Metrorapid, so geht es jetzt um Grundsätzliches.
Der Ministerpräsident steht ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt unter Druck. Ein Jahr vor den nächsten Kommunalwahlen, zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl sind die Umfrageergebnisse für die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen, aber auch für ihn selbst miserabel.
NRW geht es schlecht
Und auch dem Land geht es schlecht. In vergangenen Jahr sank das reale Bruttoinlandsprodukt um 0,2 Prozent. Die Arbeitslosigkeit erreichte mit 9,2 Prozent einen Höchststand. Allein in diesem Jahr tut sich im Landeshaushalt ein Loch von 1,4 Milliarden Euro auf, in den nächsten drei Jahren sind es sogar 3,7 Millionen Euro.
Da wächst der Wunsch, den gordischen Knoten zu durchschlagen. "Alles behindert, was sich wie Mehltau über die Landschaft legt, was nach Bremsklötzen riecht, kann sich diese Koalition nicht leisten", sagte Steinbrück in einem Zeitungsinterview und lies wenig Zweifel daran, dass er damit die Grünen meinte.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
Druck vom Kanzler
Doch ganz so einfach dürfte ein Koalitionswechsel für Steinbrück doch nicht werden. Zwar sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder am Montag in Berlin, die Koalitionsfrage werde in Düsseldorf entschieden. Doch fügt er hinzu, er sei überzeugt, dass SPD und Grüne in Nordrhein-Westfalen zur Sacharbeit zurückfinden würden.
Spekulationen "im Augenblick nicht angebracht"
Und auch im Landesverband selbst gibt es offenbar starke Kräfte die einen Koalitionsbruch vermeiden möchten. SPD-Landeschef Harald Schartau sagte im Westdeutschen Rundfunk: "Ich glaube, dass wir uns ganz gut zusammenraufen können, wenn es uns gelingt, die Sachlichkeit in den Mittelpunkt zu legen und gewohnten Streit zur Seite zu legen." Schon weil die Freien Demokraten in der SPD keine besonderen Sympathien genössen, seien alle Spekulationen über ein sozial-liberales Bündnis in Düsseldorf "im Augenblick nicht angebracht", erklärte er.
Ruhe bei den Grünen
Die Grünen geben sich unterdessen demonstrativ gelassen. Die Verbraucherministerin Bärbel Höhn verwies auf die lange Krisengeschichte der Koalition. "Als ich vor acht Jahren mein Ministerbüro bezogen habe, habe ich erst gar keine neuen Möbel gekauft, weil ich gedacht habe, wer weiß, wie lange ich hier sitze. Jetzt sind die schon ganz schön angegriffen." Und sie fügt hinzu: "Am Ende haben wir noch immer eine Lösung gefunden - acht Jahre lang." Doch will Peer Steinbrück das?