"Die CSU will alles kennen - auch den Inhalt Ihrer Festplatte", prangte in dicken, gelben Lettern auf schwarzem Hintergrund des FDP-Wahlplakats. Mit solchen Slogans gingen die Liberalen insbesondere in Großstädten auf Stimmenfang. Und das mit Erfolg: So verdreifachte die FDP mit ihrer Kampagne "Freistaat statt Überwachungsstaat" den Anteil ihrer Stimmen von 2,6 auf 8 Prozent. In den Münchner Wahlkreisen holte sie gar 12,6 Prozent. Dank des rapiden Zuwachses an Stimmen zog die FDP erstmals seit 18 Jahren wieder ins Maximilianeum ein - und hat sich der auf Brautschau befindlichen CSU längst als Koalitionspartner angeboten. Ein Viererbündnis mit SPD, Grünen und Freien Wählern schließen die Liberalen dagegen kategorisch aus.
Die Innenpolitik ist wohl der Bereich, in dem die bayerischen FDP-Wähler die größten Erwartungen an ihre Partei haben. Und in diesem Politikfeld gibt es auch den meisten Zündstoff für die unmittelbar bevorstehenden Koalitionsgespräche mit der CSU. Anders als bei der Finanzpolitik, wo der Einfluss der Landespolitik stark eingeschränkt ist, und der Bildungspolitik, in der die Vorstellungen beider Parteien gar nicht so weit auseinander liegen, sind Streitereien zwischen der selbst ernannten Bürgerrechts- und der Law-and-Order-Partei CSU beinahe unausweichlich.
"Keine unüberwindbaren Hindernisse"
Vor der Entscheidung für gemeinsame Gespräche am Montag hatte es am Sonntagabend bereits ein erstes Sondierungsgespräch zwischen CSU und FDP gegeben. Beteiligt waren der Passauer FDP-Bundestagsabgeordnete Max Stadler und der niederbayerische FDP-Chef Andreas Fischer. Sie besprachen mit CSU-Innenminister Joachim Herrmann die beiden vermutlich schwierigsten Themen einer Koalition von FDP und CSU: Abstriche am strengen bayerischen Versammlungsrecht und Änderungen im Bereich von Online-Durchsuchungen. Stadler hinterher gegenüber stern.de: "Es gab keine unüberwindbaren Hürden zwischen uns, um zu vernünftigen Kompromissen zu kommen." Vereinbart ist bereits, dass das bayerische Versammlungsgesetz nicht insgesamt zurück genommen wird. Aber Herrmann hat den Liberalen bereits zugesichert, dass die scharfen Straf- und Bußgeldvorschriften des Gesetzes entschärft werden. In Zukunft, so Stadler, werde es auch in Bayern wieder weniger riskant sein, Demonstrationen zu organisieren oder Versammlungsleiter zu sein. Dasselbe soll künftig für Online-Verfahren gelten. Der Zugriff auf Daten aus der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung wird auch Wunsch der FDP bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt. Einig ist man sich auch darüber, dass die parlamentarische Kontrolle bei allen Überwachungsmaßnahmen - etwa beim Abhören von Telefonen - verbessert wird.
Über Ministerposten ist bislang nicht mit der CSU geredet worden. Die Liberalen werden mit der Forderung nach drei Ministern in die Gespräche gehen. Interessiert sind sie an den Bereichen Finanzen/Wirtschaft, Bildung/Wissenschaft und Innen/Recht. Feststeht für die FDP, dass ihr Spitzenkandidat Martin Zeil nach München geht, wenn es zur Koalition mit der CSU kommt.
Ein weiteres programmatisches Ziel der Liberalen ist die Lockerung des Rauchverbots. In dieser Frage haben die Christsozialen bereits ihr Entgegenkommen signalisiert. Am Rande der CSU-Fraktionssitzung, auf der Bundesagrarminister Horst Seehofer für das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten nominiert wurde, sagte der bisherige Innenminister Joachim Hermann: "Klar ist, dass wir beim Rauchverbot Fehler gemacht haben." Diese Fehler müssten korrigiert werden. Diese späte Einsicht freut die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): "Die Ankündigung von Minister Herrmann, das Nichtraucherschutzgesetz zu ändern, ist ein auch ein Zeichen, dass die CSU umdenkt."
Bundes-FDP macht Druck
Der Druck auf die bayerischen Liberalen, ein Bündnis mit der CSU einzugehen, ist vor allem aus der eigenen Bundesspitze groß: So hofft die FDP im Bundesrat bei einer Regierungsbeteiligung im Freistaat weiter an Gewicht zu gewinnen. Bei Bayerns Liberalen heißt es dagegen, man wolle in keine Koalition "um jeden Preis". Dies gilt nicht zuletzt für Leutheusser-Schnarrenberger: Die 57-Jährige verzichtete in ihrer Karriere schon einmal auf Macht und Ämter. Als ihre Partei 1996 zu einem Großteil den Großen Lauschangriff mit trug, trat sie aus Überzeugung von ihrem Posten als Bundesjustizministerin zurück. Die Oberbayerin wird bereits als neue Innenministerin gehandelt, hat sich bisher aber nicht dazu geäußert, ob sie einer möglichen schwarz-gelben Landesregierung angehören will.
In den meisten Politikfeldern sind sich CSU und FDP schon recht nahe. Beide sind für eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken, eine Wiedereinführung der Pendlerpauschale, eine dritte Startbahn für den Münchner Flughafen - und auch in der Bildungspolitik sind die Schnittmengen zwischen Christsozialen und FDP deutlich größer als die zwischen CSU und Freien Wählern. So wollen beide bürgerlichen Parteien am dreigliedrigen System festhalten und möglichst bald flächendeckend Ganztagesschulen einführen. Auch wollen FDP und CSU - anders als die SPD, Grüne und Freie Wähler - die Studiengebühren beibehalten. Fest steht, dass beide Parteien sich schnell einigen müssen: Laut bayerischem Wahlrecht muss bis zur konstituierenden Parlamentssitzung Ende Oktober eine Regierung stehen.