Kommentar Ein vergifteter Sieg

Immerhin. Die SPD darf weiterregieren. Für die Sozialdemokraten im Bund war's das damit aber auch schon mit guten Nachrichten aus Bremen. Viel schwerer wiegt dagegen die Hiobsbotschaft, dass der Stachel Linkspartei sich noch tiefer ins Fleisch der Sozialdemokraten gebohrt hat.

Ob mit Rot-Grün, ob in einer großen Koalition, ob mit einer Ampel, sicher ist: Die SPD wird in Bremen weiter regieren. Jens Böhrnsen bleibt Bürgermeister. Dabei dürfte es für die Sozialdemokraten schwierig werden, die große Koalition fortzusetzen, obwohl beide Bündnispartner eine Schlappe einstecken mussten und jeweils rund fünf Prozentpunkte Stimmen eingebüßt haben. Die eigentlichen Wahlsieger sind die Grünen mit einem sensationellen Ergebnis von über 16 Prozent und die Linkspartei mit über acht Prozent.

Die große Koalition in Berlin steht nicht auf dem Spiel

Aus bundespolitischer Sicht es dabei fast egal, mit wem Böhrnsen am Ende eine Regierung bildet. In Berlin sind sich Union und SPD einig, dass diese Bürgerschaftswahl es nicht Wert ist, die große Koalition im Bund aufs Spiel zu setzen. Zähneknirschend würden sie im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Zentrale in Berlin, auch Rot-Grün hinnehmen. Im Gegenzug würden die Berliner Christdemokraten von ihren Verbündeten im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Zentrale, dasselbe verärgerte Stillhalten erwarten, wenn etwa die unionsgeführte große Koalition in Schleswig-Holstein zerbrechen würde.

Die Linkspartei wird zur dauerhaften Protestpartei

Dennoch, unwichtig ist die Bremer Wahl deshalb nicht für den Bund. Mindestens zwei wichtige Signale haben die Bürger nach Berlin gesendet. Das erste macht deutlich, wie vergiftet der Wahlerfolg vor allem für die SPD ist: Für die Sozialdemokraten ist es eine bittere Nachricht, dass die Linkspartei das erste Mal den Einzug in ein westdeutsches Parlament geschafft hat. Und zwar locker, mit über acht Prozent. Das lässt vermuten, dass die Linkspartei bundesweit dauerhaft zur Protestpartei des linken Lagers werden kann, sie bleibt der stets schmerzende Stachel im Fleische der SPD. Das verschärft jenseits aller anderen Probleme das strategische Dilemma der SPD. Sie muss sich nach links orientieren, mit der populistischen Anti-Hartz-IV-Kampagne der Linkspartei irgendwie konkurrieren, ohne die eigene Regierungs- und Reformarbeit zu unterlaufen. Die SPD, die sich als Volkspartei versteht, darf die Wähler der Mitte nicht verprellen, zumal die Bundes-CDU, anders als die Bremer Freunde, in Umfragen meilenweit vor der SPD liegt.

Der Kampf ums Kanzleramt beginnt im Januar 2008

Die zweite bundespolitisch relevante Aspekt der Bremer Wahl ist die geringe Wahlbeteiligung, die einen historischen Tiefstand erreicht hat. Große Koalitionen ermüden die Wähler, auch weil sie das Prinzip der politischen Konkurrenz, der klaren Alternativen, auch der Auseinandersetzung gewichtiger Führungsfiguren aushebeln. Das Desinteresse der Bremer an der Wahl geht einher mit einem Maß an Desinteresse an der Berliner Politik. Für eine Demokratie, die davon lebt, dass Bürger sich beteiligen, ist dieses Maß an Gleichgültigkeit ein gewaltiges Problem.

Die Bremen-Wahl dürfte die Nervosität bei der ohnehin nervösen SPD weiter steigern, den Koalitionsfrieden wird sie nicht nachhaltig erschüttern. Dafür sind vielmehr die nächsten, anstehenden Landtagswahlen entscheidend: In Hessen und in Niedersachsen Ende Januar 2008 und in Hamburg im Februar 2008. Mit diesen Wahlen beginnt der nächste Kampf ums Kanzleramt.