Fast hatte man ihn ja vergessen, den SPD-Politiker Sigmar Gabriel. Nur den Bundesumweltminister gleichen Namens kannte man noch. Der vom Klimaschock redete, vor CO2-Vergiftung unserer Innenstädte warnte, gerne im Anorak vor schmelzenden Eisbergen posierte und auf der Zugspitze über alles Mögliche redete, nur nicht über die Lage der SPD.
Alles vorbei. Der Mann aus der mittleren SPD-Generation macht neuerdings politisch wieder mobil. Allenthalben gibt er markige Interviews. Ruft in Hintergrundgesprächen dazu auf, die Schröder'sche Agenda 2010 mit neuen Inhalten in eine Agenda 2020 zu verlängern.
Warnung vor der Linkspartei
Die wieder entdeckte parteipolitische Agitation Gabriels kommt im ersten Anhören als scharfe Abgrenzungskampagne gegen die Linkspartei Lafontaines daher. Weder in Hessen noch im Saarland dürfe man sich der politischen Fallenstellerei des Ex-Genossen ausliefern, dessen Destruktionsstrategie unübersehbar sei. Noch gefährlicher sei jedwede Annäherung der SPD an Die Linke im Blick auf die Bundestagswahl 2009, denn deren finanz-, sozial- und außenpolitische Programmatik sei desaströs.
Doch allenthalben taucht in den parteipolitischen Sätzen des Politikers Gabriel stets auch die Warnung auf, sich nicht zum Spielball der Linkspartei zu machen. Das zielt zunächst auf die unbestreitbare und unübersehbare Führungsschwäche der SPD. Wenn Gabriel sagt, man dürfe sich nicht über diese Schwäche wundern, da die SPD-Führung im wesentlichen mit sich selbst hadere, dann ist das unmissverständlich: Das zielt vor allem auf Kurt Beck, der seinerseits auch keine Gelegenheit auslässt, an der Arbeit des SPD-Umweltministers herumzunörgeln. Vor allem dann, wenn der von deutschen Autobauern mehr klimapolitische Anstrengungen fordert.
Unterstützung für Franz Müntefering
Mehr noch aber macht Gabriel Front gegen den linken Flügel der eigenen Partei, gegen Andrea Nahles, gegen Klaus Wowereit und Verbündete. All jene, die keineswegs in strikter Ablehnung nach links blicken. Oder andersherum betrachtet: All jene, die auf keinen Fall einen Franz Müntefering in einer herausragenden Funktion in die SPD-Spitze zurückkehren sehen wollen. Vor allem all jene, die in der Öffnung in Richtung Linkspartei die Chance sehen, sich vollends von der ungeliebten Agenda 2010 Gerhard Schröders distanzieren zu können. Sie fordern höhere Erbschaftssteuern, höhere Vermögenssteuern - ganz wie auch Oskar Lafontaine.
Gabriel, eines der wenigen Polittalente der mittleren Generation, hat klar erkannt, dass seine Partei auch im Blick auf eine Kanzlerkandidatur von Frank-Walter Steinmeier hier endlich deutliche Positionen beziehen muss. Dies gilt bemerkenswerterweise im Blick auf zwei völlig gegensätzliche Entwicklungen: Es muss sein, wenn Andrea Ypsilanti in Hessen scheitert. Und es muss ebenso unabweisbar stattfinden, wenn es dort zu einer wie auch immer gearteten Kooperation kommt. Bis heute hat sich ein erheblicher Teil der SPD, der linke Flügel, davor gedrückt, klare Position gegenüber der Linkspartei zu beziehen. Höchste Zeit dafür ist es. Gabriel will die parteiinterne Diskussion darüber offensichtlich erzwingen.