Kommentar Glos verrät die Merkel-Linie

  • von Hans Peter Schütz
In welcher Eigenschaft hat Michael Glos gesprochen, als er jetzt plötzlich Steuersenkungen gefordert hat? Angenommen, er wäre nicht Bundeswirtschaftsminister und nur CSU-Politiker - man könnte seinen Ruf nach einer Steuerreform als arges Wahlkampfgeschrei im Sinne der CSU abtun.

Eben noch einer, der sich auf die Linie seines Parteivorsitzenden Erwin Huber stellt und diesem Rückendeckung für die bayerische Landtagswahl im Herbst gibt, bei der die CSU unter die 50-Prozent-Marke rutschen könnte. Nicht weil in Bayern eine Steuerpolitik praktiziert wird, die viele Wähler verprellt. Im CSU-Land Bayern haben sich die Nachfolger eines Edmund Stoiber vor allem durch politische Tölpeleien kräftig blamiert. Sei es durch ein Rauchverbot, das im Land der Bierzelte als besonders kleinkariert gilt. Oder sei es eine Reform der gymnasialen Schulzeit, über die sich landesweit alle Eltern schulpflichtiger Kinder ärgern.

Der CSU-Vorsitzende Huber will mit seinem Steuerkonzept von diesen CSU-Schwachpunkten ablenken. Weil jedoch Glos auch Bundeswirtschaftsminister der Großen Koalition ist, sind seine Rufe nach einer Steuersenkung ein krasser Verstoß gegen die Kabinettsdisziplin. Er verrät die bisherige Linie der Kanzlerin. Denn bis heute ist es das wichtigste haushaltspolitische Ziel Angela Merkels, spätestens im Jahr 2011 einen Haushalt ohne neue Schulden vorzulegen. Wenigstens diesem Versprechen hat sie bislang nicht abgeschworen.

Von den Ankündigungen, mit denen die Union in die Bundestagswahl 2005 gegangen ist, findet sich in der praktischen Regierungsarbeit ohnehin kaum noch etwas. Würde jetzt im Sinne der Glos'schen Forderungen auch noch der bisherige Konsolidierungskurs mit dem Ziel aufgegeben, wenigstens in den Bereichen Finanzen und Steuern verlässlich zu arbeiten, dann verlöre die Große Koalition den allerletzten Funken Glaubwürdigkeit.

Generationen von Politikern haben in den vergangenen Jahrzehnten vorzugsweise Politik gemacht, indem sie bedenkenlos immer von neuem den Schuldenstaat erweiterten, um Wahlkämpfe zu gewinnen. Um ihren persönlichen politischen Spielraum auszuleben, erschwerten sie die Spielräume künftiger Generationen hemmungslos. Noch immer ist die dadurch entstandene Altschuldenproblematik ungelöst. Noch immer hat sich auch die Große Koalition nur sehr bedingt um diese Problematik gekümmert. Und wenn es tatsächlich in nächster Zeit finanzielle Spielräume geben sollte, dann muss die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung Vorrang haben.

Es ginge in Ordnung, wenn die CSU und ihr Bundeswirtschaftsminister ganz eindeutig eine Diskussion darüber führen würden, wie auch kleinere und mittlere Einkommen davor bewahrt werden können, in den Rollgriff der kalten Progression durch den Spitzensteuersatz zu kommen. Doch sollte man den Wählern in Bayern nicht vortäuschen, es ginge auf dem Weg dahin voran, wenn im Herbst das Kreuzchen bei der CSU gemacht wird. Man könnte das CSU-Steuerkonzept ja durchaus loben - wenn seine Befürworter klipp und klar sagen würden, dass es nicht vor dem Jahr 2012 realisiert werden kann. Schon heute lässt sich prophezeien, dass nach der bayerischen Landtagswahl ein gemeinsames Steuerkonzept von CDU und CSU mit Blick auf die Wahl 2009 auf den Tisch kommen wird, das ganz anders aussehen wird als das, was die CSU derzeit im Alleingang verkauft.