Man muss sich einfach daran gewöhnen: Die Große Koalition bringt, gemessen an den großen Worten, mit denen sie 2005 angetreten ist, nur noch kleine Reformen zustande. Das gilt auch für die Pflegereform. 13 Jahre nach ihrer Einführung ist der Pflegeversicherung die demoskopische Entwicklung enteilt, ihre Finanzierung steht auf wackeligen Beinen, ihr Leistungskatalog ist viel zu eng. Was der Bundestag jetzt beschlossen hat, erfüllt die Kriterien eines "großen Wurfs" bei weitem nicht. Freundlich gesagt, kann man das Reformpaket mit Trippelschrittchen in die richtige Richtung beschreiben.
Die Beiträge zur Pflegeversicherung steigen, doch lässt sie sich damit allenfalls bis 2014 finanzieren. Langfristig gedacht ist das nicht, denn alle Parteien wissen, dass dann spätestens die nächste Erhöhung unabwendbar ist.
Dass jetzt die Beträge für ambulante Sachleistungen deutlich angehoben werden, war überfällig. Sie sind schließlich seit 1995 unverändert geblieben. Wer zum Pflegefall wurde, stürzte in fast allen Fällen in die Sozialhilfe. Der Grundsatz, dass ambulante Pflege der stationären Betreuung vorzuziehen sei, ist über ein Lippenbekenntnis hinaus nicht realisiert worden. 5000 Pflegestützpunkte hat Gesundheitsministerin Ulla Schmidt gefordert, gerade mal 1400 sind ihr von der CDU/CSU bewilligt worden.
Ein bescheidener Einstieg
Gescheitert ist sie auch mit ihrem Vorschlag, für Angehörige wenigstens zehn bezahlte Pflegetage einzuführen. Auch hier trat die Union auf die Bremse. Zugestanden hat sie zehn unbezahlte Pflegetage für den Fall, dass kurzfristig ein Angehöriger pflegebedürftig wird. Das ist ein bescheidener Einstieg.
Die CDU/CSU muss sich vorhalten lassen, dass ihr fast schon chronisches Bekenntnis zur Familie und zur Pflege in der Familie in der politischen Praxis ein Muster ohne Wert ist. Ausgeklammert wurde die Frage einer neuen Lastenverteilung zwischen der privaten und der gesetzlichen Versicherung. Auch hier mauerte die CDU/CSU, obwohl in dieser Frage hoher Reformbedarf besteht.
Im Bereich der Demenzkranken ist allerdings echte Reformarbeit geleistet worden. Sie werden endlich in die Pflegeversicherung einbezogen, die Leistungen kräftig erhöht. Ihre stationäre Betreuung ist künftig möglich - auch dann, wenn sie noch keinen erheblichen Pflegebedarf haben. Begrüßenswert auch, dass es endlich zu einer intensiveren Kontrolle der Altenheime kommen soll. Noch immer finden sich menschenunwürdige Zustände in vielen Heimen.
Dass künftig belohnt wird, wenn Pflegebedürftige dank guter Behandlung und Betreuung in eine niedrigere Pflegestufe eingruppiert werden, könnte ebenfalls die Zustände verbessern. Nicht selten war es so, dass die Heime an einer niedrigeren Pflegestufe nicht interessiert waren, weil es ihnen keinen finanziellen Vorteil brachte. Künftig "lohnt" sich auch für sie Qualität.